: Streik für bessere Software
■ Hausvertrag bei der Digital Equipment angenommen
Berlin (taz) – Der erste deutsche Streik in der Computerbranche ist am Mittwoch zu Ende gegangen: mit einem Erfolg der Belegschaft. Der Betriebsrat der Digital Equipment in Berlin genießt offenbar volles Vertrauen. 80,7 Prozent der 857 stimmberechtigten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen haben dem von ihm ausgehandelten Kompromiß zugestimmt.
Auch die Leitung der deutschen Tochter des amerikanischen Konzerns kann sich freuen. Mit Hilfe des Betriebsrates gelang es, die verwirrende Betriebsstruktur der zwei Berliner Standorte (Digital- Equipment und Digital-Kienzle) in fünf eigenverantwortliche Unternehmensbereiche zu gliedern. Mehrkosten für den Organisationsgewinn entstehen nicht, über Löhne und Gehälter wurde diesmal nicht verhandelt – der Durchschnittslohn liegt schon heute bei 90.000 Mark im Jahr. Nur die Ergebnisse der Tarifrunde 1994 werden übernommen, so der Kompromiß, erst zum Ende des nächsten Jahres wird ein darüber hinausgehender Haustarif ausgehandelt.
Ein bißchen gequält gratulierte deshalb die IG-Metall den Streikenden – untypisch für die Traditionsgewerkschaft –, statt bloßer Lohnerhöhungen eine innerbetriebliche Modernisierungsstrategie durchgesetzt zu haben: Digital- Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen haben mit dem neuen Hausvertrag unter anderem das Recht auf mehrjährige (unbezahlte) Fortbildungsurlaube, werden nach Möglichkeit auf neue Qualifikationen umgeschult statt entlassen („Rationalisierungsschutz“) und dürfen selbst sogenannte „Qualifizierungsdefizite“ anmahnen, die in hausinternen Schulungen behoben werden müssen.
So ließe sich die Welle von Rationalisierungskündigungen der letzten Monate zumindest bremsen, hofft Betriebsratssprecher Christian Brunkhorst. Sogar familiärer Zuwachs müsse nicht mehr zur Entlassung führen: Digital gewährt Müttern und Vätern Erziehungsurlaub bis zur Einschulung des Kindes. Aber auch sich selbst hat der Betriebsrat nicht vergessen. Er hat das in Deutschland unübliche Recht erstritten, einen sogenannten Wirtschaftsrat auf der obersten Konzernebene einzurichten. Das Gremium muß über alle Entscheidungen informiert werden und darf beratend daran mitwirken. Niklaus Hablützel
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