: Israels Ärzteverband gegen Folter
■ In speziellen Formularen begutachten Gefängnisärzte die „Tauglichkeit“ von Palästinensern für Mißhandlungen
Tel Aviv (taz) – „Ärzten ist die Zusammenarbeit mit Folterknechten streng verboten.“ So heißt es in einem Schreiben der Vorsitzenden des israelischen Ärzteverbandes, Miriam Zangen, an Ministerpräsident Jitzhak Rabin. Es handelt sich um die erste, aber deutliche Reaktion des Ärzteverbandes auf die Veröffentlichung eines Formulars, das Ärzte der Geheimdienstabteilung von Gefängnissen ausfüllen müssen, wenn Palästinenser dort verhört werden sollen.
Mit dem Ausfüllen des Fragebogens geben Amtsärzte ihr Gutachten darüber ab, ob dem Häftling vom medizinischen Standpunkt her zugemutet werden kann, gefesselt oder in Einzelhaft gesteckt zu werden, ob man ihn oder sie für längere Zeit mit verbundenen Augen oder mit einem Sack über dem Kopf für längere Zeit stehend ausharren lassen kann, oder ob bei den einzeln angeführten „Umgangsformen“ mit dem Häftling irgendwelche Einschränkungen geboten sind. Vom Arzt wird auch verlangt, mitzuteilen, ob die zum Verhör eingelieferten Palästinenser körperlich behindert sind und an welchen Krankheiten sie vor dem Verhör litten. Etliche Todesfälle nach Verhören wurden darauf zurückgeführt, daß kranke oder körperlich behinderte Palästinenser mißhandelt wurden.
Über das Formular, das einem israelischen Rechtsanwalt zufällig in die Hände fiel und dann in der Presse veröffentlicht wurde, diskutierten schließlich auch die Teilnehmer der kürzlich in Tel Aviv abgehaltenen internationalen Konferenz über Folter in Israel und den besetzten Gebieten. Nach Abschluß der Konferenz legten die Vertreter der „Organisation israelischer und palästinensischer Ärzte für Menschenrechte“ dem israelischen Ärzteverband eine Kopie des Formulars vor und baten um eine Stellungnahme, „aus der klar hervorgeht, daß Ärzte mit der hiesigen Folterroutine zu tun haben.“
Daraufhin wandte sich die Vorsitzende des israelischen Ärzteverbandes mit ihrem Brief an Ministerpräsident Rabin. Der Fragebogen, der dem Ärzteverband bisher unbekannt gewesen sei, stehe im Widerspruch zur „Tokio-Erklärung“ gegen Folter, und das Ausfüllen des Bogens verstoße „gegen die Grundsätze der medizinischen Ethik“, heißt es in dem Brief. „Ärzte dürfen mit den Behörden nicht zusammenarbeiten, wenn es sich um solche Tätigkeiten handelt.“ Der Ärzteverband will seine Mitglieder auf das Formular und die eindeutig ablehnende Stellungnahme des Vorstandes hinweisen. In der nächsten Nummer des Informationsblattes für Verbandsmitglieder soll der Konflikt dokumentiert werden.
Der Armeesprecher Oberstleutnant Mosche Fogel dementierte, daß Gefängnisärzte die „Tauglichkeit“ von Häftlingen für Verhöre feststellen müssen. Amos Wollin
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