: Die Brandenburger Torschlußpanik
■ SPD gegen Verkehrsvereinbarung
Keine vierundzwanzig Stunden nachdem der Senat mit der Bundesregierung die Vereinbarung über die zukünftige Trassenführung für den Ost-West-Verkehr getroffen hatte, wurde die Regelung von einer der beiden Verhandlungspartner schon wieder in Frage gestellt. Die SPD sah sich gestern von der CDU über den Tisch gezogen. Wesentliche Positionen, die vorher im Koalitionsausschuß einvernehmlich festgelegt worden seien, fanden, so die Ansicht des SPD-Vorsitzenden Ditmar Staffelt, keinen Eingang in die nun getroffenen Regelungen. So hätten beide Regierungsparteien eine Untertunnelung des Brandenburger Tores abgelehnt. Für die SPD komme zudem eine Durchfahrung nicht in Frage. Staffelt forderte vom Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen gestern, daß er das nun klarstelle.
Diepgen hatte am Dienstag mit Bundesbauministerin Irmgard Schwaetzer ausgehandelt, daß der gemeinsame Ausschuß von Bundesregierung und Senat sowohl die „Unterfahrung des Brandenburger Tores und des Pariser Platzes“ als auch die „Durchfahrung des Brandenburger Tores für den ÖPNV und den Individualverkehr“ prüft. Dieser Prüfauftrag müsse, so Staffelt, verändert werden: Auch andere Verkehrsmöglichkeiten im Bereich der Ministergärten müßten erwogen werden. Dem ebenfalls vereinbarten Straßenbahntunnel unter dem Leipziger und Potsdamer Platz will die SPD ebenfalls nur zustimmen, wenn Bonn die Finanzierung übernimmt oder wenn er gebaut werden kann, ohne daß zusätzliche Kosten entstehen. Staffelt hält die mit Bonn getroffenen Regelungen „für nicht ordentlich verhandelt“.
Eine Kritik, die auch Staffelts Parteifreund Bausenator Wolfgang Nagel trifft, denn der war an den Verhandlungen beteiligt. Nagel sieht jedoch die SPD-Essentials nach wie vor gewahrt. Eine Überprüfung, so tröstete er gestern seine Partei, könne auch ergeben, daß weder Durch- noch Unterfahrung des Brandenburger Tores möglich ist. Die Interpretationsbreite des mit Schwaetzer getroffenen Beschlusses sei so groß.
Staffelt will den Dissens heute mit Diepgen bereden. Doch der machte bereits gestern nachmittag klar, daß er den Wünschen des Koalitionspartners nicht nachkommen wird, obgleich er eingestand, daß das, was ausgehandelt wurde, sich nicht mit der „ein oder anderen Position“ der Beteiligten decke. Staffelts Anliegen seien „Fragen, die wir in vier oder fünf Jahren klären“. Diese Einschätzung, das sagte Diepgen allerdings nicht explizit, trifft auch auf die von Schwaetzer in die Verhandlung eingebrachten Positionen zu. Dieter Rulff
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