Nachschlag

■ Neue Musik, extrem feinsinnig rückgekoppelt

Sommerlich leicht ist Neue Musik selten, schon gar nicht europäische – zu sehr lastet das expressionistische Erbe der zweiten Wiener Schule. Da tat amerikanische Unbefangenheit und Experimentierfreude nicht schlecht, die seit Ives, spätestens aber seit Cage neue Fröhlichkeit in die Neue Musik gebracht hat.

Steve Reich hat in seiner kreativen Anfangsphase seinen Teil dazu beigetragen. „Pendulum Music“ nennt sich eines dieser Stücke, das André Bartetzki am Mittwoch abend in einem Konzert des Ensembles Neue Musik der Hochschule für Musik Hanns Eisler realisierte. Und „realisieren“ ist das richtige Wort, denn André Bartetzki tut nichts anderes, als die Rückkopplungen von sechs an ihren Kabeln aufgehängten, über jeweils dazugehörigem Lautsprecher pendelnden Mikrofonen am Mischpult auszusteuern, aber das tut er mit Feinsinn. Allmählich ausschwingend, überlagern sich die Phasen der pendelnden Mikrofone – und dadurch der rhythmischen Muster –, und es entsteht ganz leichter musikalischer Sommerduft: Freie Musik.

Folgte das süße Gift einer zweiten klangschwelgerischen Minimal-Music-Generation in Form von „Shaker Loops“ des amerikanischen Komponisten John Adams. Sein bestes Stück, behauptet man gemeinhin, und trotzdem bin ich ob der vor sich hin trällernden harmonischen Repititionen einfach eingeschlafen. Als ich aufwachte, klang's immer noch genauso – minimal music und Dramaturgie verträgt sich eben nicht, und so schläft sich's versäumnisloser.

Elliot Carter steuerte zum Programm einige Lieder für Bariton und Klavier bei, deren größter Vorzug ihre Kürze ist. Samuel Beckett und Morton Feldman, zwei Stars der zeitgenössischen, beziehungsweise frisch verstorbenen Kunst, aber sorgten nicht nur kooperativ mit ihrem Werk „Words and Music“ für den Ausklang des Abends, sondern auch für die erneute Bestätigung des Vorurteils, daß bei der Kombination zweier bekannter Namen meistens einer zuviel ist. Zwei Sprecher lasen brav Becketsche Texte ohne jeden Hauch seines berühmten sarkastisch-absurden Humors, wozu das mit Vibraphon, Klavier, zwei Flöten und ein paar Streichern typisch feldmännisch besetzte Ensemble dessen bekannt-ätherische Klänge spielte.

Das Ensemble, mit tschechowschen Leinenhosen zu weißen Hemden ganz sommerlich gekleidet, bemühte sich redlich und blieb doch immer Hochschul-Ensemble. Was ich mir statt dessen wünsche, ist ein Solo-Abend mit André Bartetzki, dem Mischpult-Virtuosen, der seine elektronischen Lieblingsstücke vorführt. Walter Kovalski