piwik no script img

Leergepumpt

■ Neue Serie: Thema der Woche / 1. Folge: Körper, Maloche und Kultur / Über Sportswear, Lebensart und Bremen als Fitneß-Center

Und so geschah es, daß auch neben Freund Stefans schickem Futon eines Morgens ein Satz Hanteln herumlag. So ganz beiläufig. Ja, wieso denn auch nicht?, kam es etwas defensiv auf meine Nachfrage, ob die Dinger denn nun zur Dekoration gedacht seien oder was. Ja: So ein Paar Eisen, vielleicht noch eine Trainings-Bank dazu — das scheint inzwischen zur zeitgemäßen Einrichtung der jungdeutschen Mittelklasse zu gehören wie unlängst noch der (imitierte) Bauhaus-Sessel und der Apple MacIntosh (natürlich der schmucke kleine SE Zwo) auf dem Massivholz-Schreibtisch.

Aber eine Hantel ist eben nicht nur ein Stück formschönes Design. Sondern auch ein Stück Lebensart. Wer es, wie Freund Stefan, dabei beläßt, die schweren Dinger nur zum Staubsaugen beseite zu rollen, wird natürlich nie dahinter kommen, warum es die Massen in die Fitneß-Studios drängt — auch und gerade in Bremen & Umgebung: 33 zumeist recht große Studios versorgen die Gemeinde der HantelschwingerInnen; ganz nebenbei ist Bremen auch Heimstatt zweier der derzeit erfolgreichsten Bodybuilder, Manfred Gutschy und Lutz Wilke, die nun ihrerseits dem norddeutschen Nachwuchs Arme & Beine machen.

So strömen sie allfeierabendlich in die Studios. Die Herrn der Lebensmitte, die ihren Bauch abstrampeln wollen. Die Damen, die es etwas straffer haben mögen, als die Natur es derzeit zuläßt. Und die Jungs & Mädels in ihrer feschen Sportswear, in knackigen Stretch-Bodys und lässigen Muscle-Shirts. Frau Diesch schaut ihnen freudig zu, oben im Aerobic-Saal ihres Studios. Freudig, aber auch ein wenig befremdet: Solchen Klamotten-Kult kennt sie von früher nicht. „Das Kameradschaftliche, wie wir es damals gepflegt haben, wird immer weniger wichtig“, sagt sie.

Als Ute Diesch vor 21 Jahren ihr erstes Studio in Bremen aufmachte, da waren sie und ihr Mann schon längst dem Bodybuilding verschrieben. „Das ist für uns immer noch –ne Art Lebensphilosophie“, sagt sie. Nicht nur des Gefühls wegen, „daß man den Körper irgendwie verändern kann“. „Für uns war die Hauptsache, ein gesundes Leben zu führen“, sagt sie. Vollwertkost und Hanteltraining inklusive.

Das gehört auch heute noch dazu. Aber die Motivation ist eine andere geworden. „Kommunikation“, sagt Ute Diesch: „Die Leute kommen her, um von der Glotze wegzukommen“. Um dann stattdessen in den Spiegel zu schauen, der zum Studio gehört wie die Muskelmaschinen. „Zur besseren Kontrolle der Bewegungs-Abläufe“, sagt Trainer Manfred. Aber auch, um das Ego zu befriedigen, um den Schweiß rinnen und den Bizeps schwellen zu sehen. „Ein bißchen Egoismus ist immer dabei“, sagt Diesch.

Aber nicht nur die Glotze, auch der Streß soll im Studio abgeschaltet werden. In der klassenlosen Fitneß-Gesellschaft gibt es keine Konkurrenz — außer natürlich die der Kraft & Schönheit. „Je mehr Streß die Menschen im Berufsleben haben, desto konsequenter kommen sie zu uns“, sagt Diesch. Mancher Amateur berichtet von dem erlösenden Gefühl, mittels Bankdrücken und Beinpressen „den Kopf leerzupumpen“, und den Brustkorb aufzublasen. Hier macht sich jeder seinen ei

genen Leistungsdruck.

Und auch den eigenen Zeitdruck. In Zeiten Möllemannscher Flexibilität, d.h. (unbezahlter) Überstunden, Nacht- und Wochenendarbeit, hat der Single-Sport Konjunktur: Wo keine Zeit mehr für die festen Übungsabende der Heimatsportvereine

hierhin bitte das

Foto von den

Trainierenden an den

Fitneßmaschinen

bleibt, da bietet sich das allzeit offene Fitneß-Center um die Ecke an.

Da kann der Ertüchtigung Suchende seine Terminplanung ganz auf die individuelle Arbeits- und Freizeit abstimmen, heißt es. Solange er eben dreimal die Woche und möglichst regel

mäßig kommt: Darunter nämlich, sagt Manfred Gutschy, bringt es keinen sichtbaren Erfolg. Und auf den kommt es schlußendlich, Sportmode hin, Streßabbau her, seit Ute Dieschs Tagen immer noch am stärksten an. Text: Thomas Wolff

Foto: Jörg Oberheide

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen