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Explosion in russischer Atomfabrik Tscheljabinsk

■ Radioaktive Verseuchung im Ural zugegeben

Berlin (taz/dpa) – Bei einer chemischen Explosion in der militärischen Atomfabrik Tscheljabinsk-65 im Ural sind unbekannte Mengen Radioaktivität in die Umwelt gelangt. Schon am Samstag war ein Behälter mit strahlendem Material in der Fabrik explodiert, zu der eine militärische Wiederaufarbeitungsanlage und eine Atomwaffenschmiede gehören. Ein Vertreter des russischen Atomministeriums gab gestern zu, daß radioaktive Stoffe bei der Wiederaufarbeitung von Plutonium durch einen Lüftungsschacht in die Umgebung gelangt seien. Arbeiter seien nicht verstrahlt worden. Die Radioaktivität des ausgetretenen Materials soll nach seinen Angaben 0,2 Millicurie (7 Millionen Becquerel) betragen. Das entspreche drei Prozent der Radioaktivität, die täglich aus dem Werk austreten dürfte. Eine Regierungskommission für den Ausnahmezustand sei nach Tscheljabinsk unterwegs.

Bei Greenpeace in Moskau hieß es, die Anlage, die heute offiziell als Firma Majak (Leuchtturm) firmiere, sei in die russische Atomwaffenproduktion eingebunden. Zu Ostern war es in einer ähnlichen Atomanlage in Tomsk in Sibirien ebenfalls zu einer Explosion gekommen. Allerdings sei die Explosion in Tomsk in einem anderen Reaktionsstadium erfolgt, so Greenpeace. Damals war eine radioaktive Wolke über Sibirien geweht, die die russischen Behörden dann aus den Augen verloren hatten.

Tscheljabinsk ist unter den Atomfabriken Rußlands vielleicht die berüchtigste. 1949 wurde hier Plutonium für die erste sowjetische Atombombe produziert. Ohne Rücksicht auf Umwelt und Gesundheit ließen die Militärs radioaktive Abwässer in ungeheuren Mengen in die Flüsse der Umgebung. 1957 explodierte ein 500-Kubikmeter-Behälter mit hochradioaktivem Atommüll an dem Standort. Bei dem bis 1990 offiziell geheimgehaltenen Unfall sind Hunderttausende Menschen verstrahlt worden, rund 60.000 wurden später umgesiedelt. Insgesamt starben auch nach offiziellen Angaben 1.000 Menschen an den Folgen der Atomwaffenproduktion in Tscheljabinsk.

Ein Vertreter der Stadtverwaltung in der nahe gelegenen Metropole Tscheljabinsk (rund 1,1 Millionen Einwohner) sagte dpa gestern, ihm sei von dem Unfall nichts bekannt. ten

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