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Spekulant Soros in Spendierhosen

Der Milliardär fördert Osteuropas Intellektuelle – zum Mißfallen dortiger Regierungen  ■ Aus Budapest Keno Verseck

Ein Wort von ihm kann Währungen ruinieren oder stabilisieren. Ein Wort von ihm kann Aktienkurse stürzen oder hochschnellen lassen. Im vergangenen September wettete George Soros 10 Milliarden Dollar, daß die Bank of England das Pfund Sterling würde abwerten müssen – und gewann. Auf fast zwei Milliarden Dollar wird der Profit geschätzt, den er aus dieser und ihr folgenden Spekulationen zog. Der Mann, der nach Berechnungen des Magazins Financial World 1992 alle fünf Minuten 19.000 Dollar verdiente und damit die Einkommensrangliste der 100 erfolgreichsten Wallstreet- Börsianer anführt, ist seitdem zum unbestrittenen Guru unter seinesgleichen aufgestiegen.

Der Spekulant als Menschenfreund

Der unerhörte Coup gegen die Bank of England brachte Soros neben den Milliarden auch eine nicht uneingeschränkt willkommene Publizität ein. Ob er sich nicht schäme, den Bürgern soviel Geld aus der Tasche zu ziehen, mußte sich Soros in den Medien wiederholt fragen lassen. Aber die aufgebrachten Steuerzahler, die den Verlust der Bank of England bezahlen müssen, konnten erfahren, daß der Spekulant zugleich ein Menschenfreund ist und einen Teil seiner Millionen umgehend in Osteuropa verschenkte. Soros stiftete einen 100-Millionen-Dollar- Fonds für das Überleben der sowjetischen Wissenschaft, organisierte einen 25-Millionen-Dollar- Kredit für Mazedonien, der dem Land über den Winter helfen sollte, und ließ humanitären Organisationen zu Weihnachten dann die größte private Spende zukommen, die jemals in diesem Bereich gemacht wurde: 50 Millionen Dollar für die Bosnien-Herzegowina- Hilfe. Ohne seinen sagenhaften Spekulationsgewinn wäre der 62jährige Soros wohl kaum einem breiten Publikum im Westen bekannt geworden. In Osteuropa dagegen gehört Soros seit Jahren zu den prominentesten Personen des öffentlichen Lebens. Insgesamt, so wird geschätzt, hat er in die Länder der Region bislang nahezu 300 Millionen Dollar vergeben – mehr als so manches westeuropäische Land an Krediten vergab, von Spenden ganz zu schweigen.

Nach 1989 finanzierte er in Prag und Budapest die „Mitteleuropäische Universität“, die in der Art einer Akademie osteuropäischen Hochschulabsolventen Weiterbildung anbietet. Die „Soros-Stiftung für eine offene Gesellschaft“, gegründet 1984 in Budapest, unterstützt elektronische und Printmedien, finanziert Studenten und Forschern Sprachkurse, Auslandsaufenthalte und Expeditionen, rüstet Institute mit moderner Technik aus und beteiligt sich gar an der Vorbereitung von Wirtschaftsreformen in einigen postkommunistischen Ländern. Ohne die Soros- Stiftung wären kulturelle, wissenschaftliche und soziale Aktivitäten in Osteuropa nicht nur um einiges ärmer – in vielen Bereichen wären sie gar nicht erst denkbar.

Offene Gesellschaft bei Regierungen nicht gefragt

Soros' Mäzenatentum gründet sich dabei ebenso in seiner Lebensgeschichte wie in rationalen Überlegungen. Er wurde 1930 in Budapest geboren, sein Vater war ein jüdisch-ungarischer Rechtsanwalt. Während der deutschen Besatzung und der Deportation der ungarischen Juden lebte die Familie mit falschen Papieren bei Freunden. Im Alter von 17 Jahren emigrierte Soros 1947 ohne Geld nach London und arbeitete dort zunächst als Anstreicher, Kellner, Gepäckträger und Tagelöhner in der Landwirtschaft. Zwei Jahre später begann er ein Studium an der „London School of Economics“, wo er seinen Mentor, den Philosophen Karl Popper, traf, der ihm die Idee der „offenen Gesellschaft“ nahebrachte. 1963 stellte ihn eine amerikanische Investment-Gesellschaft an. Zehn Jahre später gründete er einen eigenen Investitionsfonds, dessen Startkapital von 4,8 Millionen Dollar auf mittlerweile sechs Milliarden Dollar angewachsen ist und den er in Anlehnung an Heisenbergs „Unschärferelation“ „Quantum Fund“ nannte.

Soros finanzierte zwar Ende der 70er Jahre auch in Kapstadt die Ausbildungen von Schwarzen, seine persönlichen Verbindungen zu einem kommunistischen Land veranlaßten ihn aber, seine Gelder hauptsächlich in Osteuropa zu plazieren. Ironischerweise brachte und bringt ihm das mindestens genauso viel Ärger wie Wertschätzung ein. Osteuropäische Regierungen betrachten ihn mit Argwohn oder Mißbilligung, bedeutet die Idee der „offenen Gesellschaft“ doch für Soros, liberales, tolerantes Denken zu fördern. Außerdem will seine Stiftung in größtmöglicher Unabhängigkeit von Staatsapparaten arbeiten. Nachdem er jenen 100-Millionen-Dollar-Fonds für ex-sowjetische Wirtschaftler initiiert hatte, hieß es in Rußland, er wolle die Forscher für einen Spottpreis an den Westen verkaufen. Dabei soll das Hilfsprogramm, bei dem staatliche Behörden ausdrücklich kein Mitspracherecht haben, gerade einen Anreiz zum Dableiben bieten.

Antisemitische Attacken

In der tschechischen Regierungspresse wurde Soros, dessen Freundschaft mit Václav Havel bekannt ist, kürzlich als finsterer jüdischer Spekulant und verantwortlich für die italienischen Korruptionsskandale dargestellt. Auch die Schuld an den gegenwärtigen Währungskrisen in Westeuropa schoben ihm tschechische Journalisten zu. Im Vordergrund steht dabei ein Konflikt um ein Gebäude, das der tschechische Staat der „Mitteleuropäischen Universität“ vertraglich versprochen, aber nie übergeben hatte. Nach seit langem schwelenden Unstimmigkeiten mit Regierungschef Václav Klaus kündigte Soros an, seine Universität nach Budapest verlegen zu wollen.

Auch in seiner einstigen Heimatstadt war Soros' jüdische Abstammung schon öfter Gegenstand von antisemitischen Attacken. Soros, der sich gegen die Angriffe in der New York Times wehrte, wurde vom ungarischen Außenministerium vorgeworfen, Ungarn Unrecht zu tun. Die Behauptung einer Regierungszeitung, er finanziere den Wahlkampf der Opposition, mußte gar auf gerichtliche Anweisung widerrufen werden.

In Rumänien sieht man ihn als Agenten des CIA und Finanzier einer (fiktiven) Separatistenbewegung der ungarischen Minderheit. Eine nationalistische Zeitung verglich die Aktivitäten seiner Stiftung mit dem Skandal um deutschen Giftmüll in Sibiu, und Staatspräsident Iliescu beschwerte sich im Frühjahr persönlich bei Soros, mit seiner Stiftung nur oppositionelle Politiker zu unterstützen.

Mit Häme wurde denn auch einigerorten in Osteuropa kommentiert, daß ein Abgeordneter des US-Repräsentantenhauses eine Untersuchung von Soros' Pfund- und anderen Spekulationen seit Herbst letzten Jahres verlangte. Henry Gonzalez, Vorsitzender des Bankausschusses im Repräsentantenhaus, ist die Macht des Ungar- Amerikaners auf den Finanzmärkten nicht mehr geheuer. Es liege im Interesse der amerikanischen Nationalbank, so Gonzalez, zu überprüfen, ob ein Einzelner überhaupt befugt sei, die Finanzmärkte derartig zu manipulieren.

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