Ein Stündchen entspannter Bissigkeit

■ Cypress Hill ersparten dem Publikum in der Markthalle die HipHop-Parolen

Menschen, die noch zu jener Generation gehören, in der das Spiel nit Playback-Elementen noch Diskussionen hervorrief, sollten vor dem Besuch eines HipHop-Konzertes tunlichst umdenken.

Im Wandel der Zeiten: Der den alten moralisierten Ehrlichkeits- und Leistungsmaßstäben unterworfene Konzertgänger traf am Donnerstag in der Markthalle auf ein Verhältnis von zwei Plattenspielern und einem DAT-Recorder für 32 Mark. Zudem traf er auch, bei einem Erscheinen um kurz nach Neun, also standardisierter Anfangszeit, auf den letzten Beat der Vorgruppe Funkdoobiest, die dreißig undramatische Minuten zu ihrer im Hintergrund abgespielten Debut-LP tanzten. Der Rundumblick im Kreuzfeuer überbrückender Tanzflur-Hits machte klar: das Konzert mußte, schon aufgrund der Fürsorgepflicht für die in großer Zahl vertretenen 12-15jährigen zeitig zu Ende sein.

Dem durch ein paar versprengte, betont „upgedatete“ Rock-Opas und -Omas angereicherten Klassentreffen bot das gemischte (Schwarz, Kubanisch, Italienisch) Trio aus Los Angeles dann aber doch einen knackigen Einstand, das ätzende Fiepen und: „Here is something you can't understaaand...“; zu den einsetzenden staubtrockenen Bassattacken springend sang die unlängst von der Nabelschnur getrennte Schar weiter „...how I just could kill a man“. Zu eben jener grünohrigen Menge sprach Mittelmann Sen Dog vom harten Core, ließ alle den ausgestreckten Mittelfinger zeigen, „für die Schweine, die uns und euch in den Knast stecken wollen/gesteckt haben“. Wie aus South Central-Erfahrung in Eppendorf coole Mode wird, muß er es wissen?

Trotzdem, wer in HipHop-Dialektik und Bühnengebaren kein Neuling mehr ist, durfte Cypress Hill dankbar sein: die Drei nervten weder durch stetes Abspulen der altbekannten Parolen (“say ho yeah, say fuck yeah“) noch durch selbstherrliches Auftreten oder intensives Erwähnen von Nutten und Mutterfickern. Stattdessen vertraten B-Real und Sen Dog die entspannte Bissigkeit von Musik und Wort mit freundlichem Ernst, während um sie herum allerdings weniger für Cypress Hill im speziellen und HipHop im allgemeinen geworben wurde: Auf der linken Seite der Bühne häuften sich nach kurzer Zeit die heraufgezogenen potentiellen Groupies, rechts drosch ein ansonsten lässig wippender Mittänzer gnadenlos auf Stagediver ein.

Dessen ungeachtet: Cypress Hill gehören zu den wenigen Originalen dieser formelreichen Musik insofern, als daß Wut, Witz und Wucht ebenso im Ausdruck sichtbar wie als Basis spürbar sind. Darob dankbar mußte man lässig darüber hinwegsehen, daß die Spieldauer des neuen Albums (43 Minuten) kaum überschritten wurde.

Holger in't Veld