: Antisemitische Hetze
■ Der Jüdische Runde Tisch kritisiert Gleichgültigkeit gegenüber Rassismus und Engagement für Somalia-Einsatz
Die orthodoxe Synagogengemeinde Adass Jisroel erhalte seit einem halben Jahr jede Woche antisemitische Hetzbriefe und Drohungen, sagte gestern die Gemeindeangestellte Ulrike Zöls. In den Briefen werde die Auschwitz-Lüge wiederholt und auf Anrufbeantwortern angekündigt, die Synagoge anzustecken. Das Hetzmaterial übergebe die Gemeinde jedesmal sofort dem Staatsschutz, bislang aber ohne Erfolg. Täter seien noch niemals ermittelt worden. Solche Briefe erhält aber nicht nur Adass Jisroel, sondern ebenfalls die Jüdische Gemeinde, wie deren Vorsitzender Jerzy Kanal neulich berichtete. Auch die Schriftstellerin Inge Deutschkron wurde in den letzten Monaten häufig belästigt. Auch ihre Anzeigen bei der Polizei blieben ergebnislos.
Traurige Alltäglichkeiten wie diese will der „Jüdische Runde Tisch“ in Zukunft verstärkt bekanntmachen. Dieses Gremium gibt es seit etwa zwei Jahren und ist ein Zusammenschluß der seit elf Jahren existierenden Jüdischen Gruppe Berlin, des Jüdischen Kulturvereins und von Adass Jisroel. Er trifft sich etwa einmal im Monat und formuliert jüdische Positionen zu allen möglichen deutschen Problemen, insbesonders gegen Rassismus. Zuletzt protestierte er gegen die Fraktion der Europäischen Rechten, die ihre Jahrestagung ausgerechnet um den 9. November herum im Reichstag abhalten will. Die Weigerung vieler Hoteliers, den Neofaschisten Räume zu vermieten, betrachtet der „Runde Tisch“ als kleines Zeichen der Ermutigung im allgemeinen „Meer der Gleichgültigkeit“.
Ein weiteres Anliegen des „Runden Tisches“ ist es, die Vielfalt jüdischer Meinungen zu präsentieren. So kritisierte gestern Alisa Fuss, Präsidentin der Liga für Menschenrechte, heftig Ignatz Bubis. Er habe im Namen des Zentralrats der Juden in Deutschland die Beteiligung der Bundeswehr in Somalia gutgeheißen. Das sei untragbar, sein anbiederndes Verständnis von „Normalität“ könne so nicht akzeptiert werden, sagte sie. Und Peter Moses-Krause ergänzte, die logische Folge sei, daß „jüdische Soldaten für Deutschland in Somalia sein müßten“. Auch das eindeutige Votum für Olympia 2000 in Berlin könne der „Runde Tisch“ nicht akzeptieren. Bubis habe nicht das Recht, permanent das Wort „wir (Juden)“ in den Mund zu nehmen und solche „Ungeheuerlichkeiten“ als jüdische Position zu verbreiten.
Nach Meinung der Sprecher des „Runden Tisches“ sei es für viele Juden in Deutschland nicht mehr selbstverständlich hier zu leben. „Das Unsicherheitsgefühl“ wachse, sagte Alisa Fuss. Zwar habe der Antisemitismus keine „skandalöse Spitze“, er komme auf leisen Pfoten daher. aku
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