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Rauls mag nicht Atomminister sein

Sachsen-Anhalts Umweltminister Rauls geht in Clinch mit Töpfer / Erweiterung des Atommüllagers Morsleben nur per Weisung  ■ Von Hermann-Josef Tenhagen

Berlin (taz) – Der Magdeburger Umweltminister Wolfgang Rauls (FDP) will die Lagerung westdeutschen Atommülls im Endlager Morsleben keinesfalls zulassen. „Das wäre eine deutliche Erweiterung des dortigen Atommüllagers, und für die braucht man auch im Westen ein Planfeststellungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung“, erteilte Rauls dem Bonner Ministerkollegen Klaus Töpfer eine Absage. Bei einem Besuch der taz erklärte er, er könne sich auch schlecht vorstellen, daß Bundesumweltminister Töpfer (CDU) eine solche Einlagerung per Weisung an die CDU/FDP-Koalition in Magdeburg erzwinge. Der Minister räumte allerdings ein, daß Atomminister Töpfer eine solche Weisung prinzipiell erteilen könne und damit „am längeren Hebel sitzt“. Die derzeit gültige Genehmigung zur Atommülleinlagerung in Morsleben stammt aus dem Jahre 1986. Damals hatte das Staatliche Amt für Atomsicherheit und Strahlenschutz der DDR die Genehmigung erteilt, leicht und mittelradioaktiven Müll „aus Kernanlagen und aus der Produktion sowie der Anwendung von Radionukleiden in der DDR“ in Morsleben einzulagern. Rauls hält daran fest, das die Einschränkung auf das Gebiet der DDR auch nach der deutschen Vereinigung weiter gilt. Wenn die alte DDR-Genehmigung nach § 57a des Atomgesetzes bis zum Jahr 2000 weiter gültig sei, dann in Gänze – also mit der räumlichen Einschränkung.

Bis zum Jahr 2000 rechnet die Atomwirtschaft mit insgesamt 3.100 Kubikmetern leicht und mittelradioaktivem Müll aus den neuen Bundesländern. Töpfer sucht aber gleichzeitig nach Lagerraum für 171.200 Kubikmeter solchen Atommülls aus den alten Bundesländern. Sollte auch nur ein Teil davon in Morsleben eingelagert werden, würde erheblich mehr Radioaktivität in die Grube gefahren, als in der Genehmigung von 1986 vorgesehen.

Schon deshalb vermag der Magdeburger Umweltminister Töpfers Argument, daß eine Einlagerungs- Genehmigung für die ehemalige DDR nach deren Dahinscheiden völkerrechtlich für ganz Deutschland gültig sein müsse, nicht zu folgen. „Die Genehmigung für ein Atommüllendlager ist schon was anderes als ein Führerschein, der nach der Vereinigung so einfach in ganz Deutschland gültig ist.“ Schließlich sei der Rechtsstaat zum Schutz von Leben und Gesundheit seiner Bürger verpflichtet.

Die von Umweltschützern geforderte sofortige Schließung des Atommüllagers zum Schutz von Leben und Gesundheit lehnte Rauls aber ab. „Die Dauerbetriebsgenehmigung für Morsleben kann ich nur entziehen, wenn prinzipiell neue Risiken auftauchen.“ Was die monierten Tropfstellen in dem Atommüllager anbelangt, da hätten die Betreiber wahrscheinlich recht mit ihrer Erklärung, diese seien fast ausschließlich auf die langjährige Broilerzucht in der benachbarten Grube Marie zurückzuführen. Da die Broilerzucht aufgegeben sei, müßten auch die Lecks weniger werden. Der Atommüllschacht werde wohl nicht, wie von Atomkraftgegnern und Greenpeace befürchtet, absaufen, hofft der Minister.

Der Berliner Atomrechtler Michael Kloepfer stützt Rauls Kurs gegenüber Töpfer. Dessen Ansinnen, westlichen Atommüll in Morsleben unterzubringen, sei „in höchstem Maße bedenklich“, so der Professor. Bei der Einlagerung westlichen Atommülls in Morsleben geht es „jedenfalls auch um die geplante Ausnutzung einer undemokratisch verfügten Entscheidung der DDR durch die demokratische Bundesrepublik Deutschland, die es derzeit offensichtlich politisch nicht zustande bringt, selbst ein Endlager zu realisieren.“

Kloepfer, der einen der maßgeblichen Kommentare zur Übertragung des westdeutschen Umweltrechts auf Ostdeutschland geschrieben hat, spricht von der geplanten „Ausnutzung der von einer Dikatur geschaffenen Entscheidung“ durch Töpfer. Entscheidungen von so großer Tragweite könnten Politiker, die in Wahlperioden denken, offenbar nicht vernünftig lösen. Kloepfer hat deshalb im Frühjahr die Berufung eines Nachweltbeauftragten oder eines Rates für Langzeitverantwortung für derart heikle Fragen gefordert.

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