: Abfallgesetz im Abfall
■ Koalition spült Töpfers Entwurf weich
Berlin (taz) – Die Abgeordneten der Regierungskoalition in Bonn werden das neue Kreislaufwirtschaftsgesetz aus dem Hause Töpfer so nicht akzeptieren. Der Entwurf, den das Kabinett schon Ende März abgesegnet hatte, sei „ungenießbar“, sagten gestern die Abgeordneten Birgit Homburger (FDP) und Gerhard Friedrich (CSU). „Da muß noch heftig nachgearbeitet werden“, so Frau Homburger zur taz.
Die Kritik der Koalitionsabgeordneten zielt vor allem in zwei Richtungen. Zum einen fordern sie eine weitere Aufweichung des Gesetzes – „unnötige staatliche Eingriffe in die Produktion“ müßten vermieden werden. Vor der Verabschiedung durch das Kabinett hatte die Chemieindustrie den Entwurf aus dem Hause Töpfer schon das erste Mal erfolgreich weichgespült.
Zum anderen sind die Abgeordneten sauer, weil sie sich im Gesetzgebungsverfahren ausgebootet fühlen. Töpfer verhandele schon mit dem Bundesrat über die engültige Fassung des Gesetzes, und „wir sollen nach der Sommerpause noch den alten vom Kabinett abgesegneten Entwurf behandeln“, schimpft ein Insider. Nur weil im Bundesrat die SPD-regierten Länder eine Mehrheit haben, könne man die Koalitionsabgeordneten doch nicht als Statisten behandeln.
Konkret wollen sie vor allem die im Entwurf enthaltene Ermächtigung des Ministers beschneiden, auf dem Verwaltungswege zusammen mit den Ländern weitere Abfallverordnungen zu erlassen. Solche Verordnungen würden dann häufig wichtiger als das Gesetz, hat Frau Homburger beobachtet. Und das Parlament habe – etwa im Fall der Verpackungsverordnung – keine Mitsprache gehabt. Die Verordnungen müßten deshalb künftig vom Bundestag zurückgeholt werden können.
Ein besonderer Dorn im Auge sind den Koalitionsabgeordneten auch die im Gesetzentwurf enthaltenen Möglichkeiten, „der Wirtschaft vorzuschreiben, was wie produziert werden darf“. Ziel des Gesetzes müsse es im Gegenteil doch sein, „bürokratische Reglementierungen abzubauen“.
Mit demselben Tenor fordern die Abgeordneten, die die Umweltpolitiker in FDP und der Union vertreten, daß Unternehmen die Techniken zur Verwertung von Produktionsrückständen künftig selber wählen dürfen, der strikte Vorrang der stofflichen Verwertung vor der Verbrennung aufgehoben wird und die Firmen nicht mehr nachweisen müssen, daß ihre Reststoffe vernünftig entsorgt worden sind.
Die beiden Bundestagsabgeordneten grenzten sich gestern auch deutlich von der Abfallpolitik der Bundesländer ab. Die hätten immer noch nicht begriffen, daß noch mehr Bürokratie, das Abheften von Papierstapeln in den Akten, noch keine vernünftige ökologische Verwertung garantiert. Die Länder würden im Bundesrat zwar auf immer weitere Verschärfungen des Gesetzes drängen, um anschließend ein Vollzugsdefizit zu melden.
Der Bundesrat hatte im Juni eine vernichtende Stellungnahme zu Töpfers Kreislaufwirtschaftsgesetz abgegeben. Im Gegensatz zu den Koalitionsabgeordneten verlangen die Länder deutliche Verschärfungen des Töpferschen Entwurfes. Einig sind sich die Kritiker im Bundesrat und den Koalitionsfraktionen lediglich in einem Punkt. Der Gesetzestext sei so kompliziert geschrieben, daß er kaum zu verstehen sei. Deswegen bedürfe er in jedem Fall einer deutlichen Überarbeitung. Hermann-Josef Tenhagen
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