: Virtuelle Archäologie
■ „Pompeji wiederentdeckt“ zeigt Antike mit Computer und Orginalen
„Zu welcher Sekte gehören die denn?“ galt die Frage den in weißen Togen gehüllten Jünglingen, die in den Straßen für das zweite große Ausstellungsereignis dieses Sommers warben: Pompeji wiederentdeckt ist der Titel der Antikenausstellung, die das Museum für Kunst und Gewerbe ab heute veranstaltet.
Gezeigt werden 200 Exponate aus der Römerstadt im Börsensaal der Handelskammer, weil die Orginalfresken eines komplett aufgebauten Gartenzimmers zu hoch für die Museumsräume gewesen wären. Die Kosten der Ausstellung werden vom Sponsor IBM ungewöhnlicherweise zu hundert Prozent übernommen. Die Computerfirma ist seit 1987 entscheidend an dem interdisziplinären „Projekt Neapolis“ beteiligt, in dem Archäologen, Historiker und Informatiker erstmals in der 250-jährigen Ausgrabungsgeschichte der antiken Vesuvstädte die Funde systematisch erfassen und dokumentieren. Mit den so gewonnen Daten konnten auch zahlreiche, seit langem in alle Welt verstreute Objekte wieder zugeordnet werden.
Die Datenverarbeitung ist ein Mittel angesichts des unaufhaltsamen Verfalls in den schon ausgegrabenen zwei Dritteln Pompejis wenigstens die Informationen elektronisch zu erhalten. Denn die in den von der Asche befreiten 1200 Häuser verbleichen die Originalfresken, Mauern zerfallen und Objekte verschwinden in dunkle Kanäle. Für das Hamburger Publikum bleiben von der für dieses Projekt entwickelten Software 17, teils interaktive Bildschirme, an denen didaktisch aufbereitete Einzelheiten zu Geschichte und Kunst Pompejis aufzurufen sind. Solch medialer Zugang ist eine weitere Spielart der seit zweieinhalb Jahrhunderten anhaltenden kulturellen Wirkung der bei der Vulkankatastophe vom 24. August im Jahr 79 verschütteten Kleinstädte am Vesuv. Um 1800 war mit dem Empire eine ganze Epoche pompejanisch beeinflußt, im 19. Jahrhundert prägte die spezielle Farbe „Pompejanisch Rot“ die klassizistischen Dekorationen.
Alte Ausgrabungsbücher, Stiche von Piranesi, Aquarelle des vorigen Jahrhunderts und alte Fotografien reißen diese Wirkungsgeschichte in den aschgrau gehaltenen Vorräumen der Präsentation an, bevor sich die Besucher in einem runden Saal der Aura der Originale aus Bronze, Marmor, Gold und terra sigilata, dem Glas der Antike, hingeben dürfen. Der Höhepunkt sind dann die Originalfresken und eine rekonstruierte Brunnenanlage. Für jugendliche Besucher hat der museumspädagogische Dienst erstmals in der Reihe der Ausstellungen, die 1990 in New York begann und jetzt nach Stuttgart in Hamburg ihr Ende findet, ein Kaufhausspiel entwickelt. Aus den Dingen des Alltags in den Vitrinen ist für das Budget von 3500 Sesterzen ein spezieller Einkauf aufzulisten.
Während so der Händlernachwuchs auf lateinisch geschult wird, sind im Zelt auf dem Alten Wall in entsprechenden Ambiente römisch zubereitete Speisen zu genießen. 3000 geladene Gäste waren bei der Vorbesichtigung am Mittwoch bereits hinreichend von der ein wenig dekadenten Landhauskultur der todgeweihten, aber wirkungsmächtigen Sklavenhalter begeistert.
Hajo Schiff
Alter Wall, Eingang Rathaushof, Tägl. 10-19.30 Uhr, bis 26. 9., Eintritt 10 Mark, Katalog, 49 Mark
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