piwik no script img

Über eine Million Mark für zwei Zentimeter

■ Neue DIN-Norm: Hamburgs Rettungswagen sind zu schmal

Können zwei Zentimeter Leben retten oder: Wieviel DIN braucht der Rettungs-Benz? Das sind die Fragen, vor denen Feuerwehr und die Rettungsdienste Hamburgs in diesen Tagen stehen: Nach der neuen DIN-Vorgabe für Rettungswagen sind die meisten ihrer Fahrzeuge oben zwei Zentimeter zu schmal. Außerdem ragt laut neuer Norm die Tür fünf Zentimeter zu weit in den Innenraum hinein.

Die Wagen aus dem Hause Mercedes, Typ DB 310, sind die am liebsten genutzten Rettungswagen von Feuerwehr und Rettungsdiensten - Malteser, Johanniter, Arbeiter-Samariter-Bund und Rotes Kreuz fahren Autos mit dem Stern. Mehr als hundert davon sind in Hamburg im Einsatz, bundesweit weit über 1000. Und gerade das gute Stück sei nun zu klein, bestimmt die neue Deutsche Industrie Norm DIN 75 080 Teil2 RTW, die ab dem 1. August in Kraft tritt.

„Nie, niemals“, beschwört Bernt Edelhoff, Pressesprecher des DRK Hamburg, „hat sich bei uns irgendein Rettungsassistent oder -sanitäter über zu wenig Kopffreiheit beklagt, keinem Patienten ist der Wagen je zu kurz gewesen.“ Sollte nun jeder DB 310 gegen ein größeres Modell ersetzt werden müssen, käme dafür nur der Benz des Typs DB 510 in Betracht. Der sei aber 11.500 Mark teurer. Insgesamt müßten dann allein in Hamburg mehr als eine Million Mark zusätzlich in Rettungswagen investiert werden - Kosten, die an die Krankenkassen weitergereicht würden.

Die maulen ohnehin schon. Da dank neuer Gesetze die Anbieter von Rettungsdiensten ihre Gebühren erhöht haben, müssen die Kassen ihnen in diesem Jahr um die 40 Prozent mehr zahlen als im vergangenen Jahr. „Die Mehrkosten sind jetzt schon unerträglich“, beschwert sich Lothar Thormählen, Sprecher der Hamburger Ersatzkassenverbände, „teurere Rettungswagen würden zu diesen Zumutungen noch beitragen.“

Aus der Hamburger Innenbehörde kommt Besänftigendes. Erstens sei die DIN-Norm „bloß eine Empfehlung“, zweitens „muß jetzt nicht ab morgen der gesamte Fuhrpark ausgetauscht werden“, so Wolfgang Lüdtke, Referent von Innensenator Hackmann. Auch Staatsrat Dirk Reimers will wegen der paar Zentimeter „Kassen und Steuerzahler nicht mit unnötigen Kosten belasten“. Der Feuerwehr als Teil der Innenbehörde und Hauptanbieterin für Rettungsdienste werde genug Kreativität zugetraut, ihre Wagen ohne zusätzlichen finanziellen Aufwand an den „jeweils neuesten Stand von Wissenschaft und Technik“ anzupassen.

So lautet auch die Forderung im Rettungsdienstgesetz - wobei als „neuester Stand“ bisher die DIN-Maßgaben angenommen wurden. Damit sei auch die neue Norm erst einmal verbindlich, widerspricht Edelhoff vom DRK der Innenbehörde, aber „nur mit Greueln werden wir uns ihr fügen.“ Er jedenfalls will seine Kreativität offenbar gar nicht erst bemühen: „Es tut überhaupt nicht nötig, die Rettungswagen jetzt zu ersetzen. In Zeiten, da das Gesundheitssystem ohnehin schon ächzt, wäre das wirklich ein Stück aus dem Tollhaus!“

Ulrike Winkelmann

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen