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Neues Verfahren gegen Schütt

■ Bundesgerichtshof hob Urteil gegen Ex-Stasi-General auf

Karlsruhe (dpa/taz) – Der wegen Beihilfe zum Landesverrat zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren verurteilte ehemalige Stasi- General Harry Schütt muß jetzt in einem neuen Verfahren mit einer höheren Strafe rechnen.

Auf Revision der Bundesanwaltschaft hob der Bundesgerichtshof (BGH) am Freitag ein Urteil des Bayerischen Obersten Landesgerichts auf. In dem neuen Verfahren müssen die bayerischen Richter prüfen, ob eine Bestrafung wegen Beihilfe zum Landesverrat ausreicht. Die Täterschaft müsse umfassend neu geprüft werden.

Der BGH bejahte damit erstmals in einem Revisionsverfahren die Frage, ob frühere hauptamtliche Stasi-Mitarbeiter strafrechtlich verfolgt werden dürfen. Die Revision des Angeklagten Schütt und seines früheren Mitarbeiters Günter Böttger hatte dagegen keinen Erfolg. Der Ex-Abteilungsleiter der Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) beim DDR-Ministerium für Staatssicherheit (MfS), Generalmajor Schütt, und der als MfS- Offizier in besonderem Einsatz tätige Oberstleutnant Böttger waren im November 1991 vom Bayerischen Obersten Landesgericht zu Bewährungsstrafen von zwei Jahren bzw. 14 Monaten wegen Beihilfe zum Landesverrat verurteilt worden. Es ging um die Zusammenarbeit mit den Bundesnachrichtendienst-Mitarbeitern Alfred und Ludwig Spuhler. Nach den Feststellungen des Gerichts hatte der zu zehn Jahren verurteilte Alfred Spuhler zusammen mit seinem zu fünfeinhalb Jahren verurteilten Bruder von 1972 bis 1989 fast sein gesamtes BND-Wissen – darunter auch Staatsgeheimnisse, die die äußere Sicherheit der Bundesrepublik hätten gefährden können – an die HVA weitergegeben. Schütt habe sich unmittelbar an der Führung der Brüder beteiligt. Die Karlsruher Richter schlossen sich deshalb nicht der Auffassung der Vorinstanz an, wonach die Angeklagten nur der Beihilfe zum Landesverrat schuldig sein könnten.

Was die Strafbarkeit ehemaliger HVA-Mitarbeiter angeht, so verwies der 3. BGH-Strafsenat darauf, daß im Einigungsvertrag keine Amnestie vorgesehen sei. Die durch den Beitritt der DDR zur Bundesrepublik tatsächlich ermöglichte Strafverfolgung sei zudem weder durch das Völkerrecht noch durch das Verfassungsrecht ausgeschlossen.

Der BGH hatte die Frage der Strafbarkeit der hauptamtlichen Stasi-Spionage zuvor schon in mehreren Haftentscheidungen bejaht. Dem steht die Auffassung des Kammergerichts Berlin gegenüber, das die Strafverfolgung als Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz für verfassungswidrig hält. Die Berliner Richter haben diese Frage deshalb dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt. Die Entscheidung wird frühestens im Herbst erwartet.

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