: Clinton hält sich lieber raus
Die israelische Armee bombardiert den Libanon. Statt Druck auf Israel gibt es aus Washington kaum mehr als diplomatische Demarchen in Richtung Beirut und Damaskus. Sie sollen die Hisbollah zum Stillhalten bewegen. Das Ergebnis: US-Präsident Clinton läßt sich von den Israelis eine neue Tagesordnung für die Nahostverhandlungen diktieren. Statt um Frieden geht es jetzt wieder nur um Waffenstillstand.
Man kann es durchaus als Ohrfeige bezeichnen. Die Frage ist, ob Warren Christopher sie überhaupt gespürt hat. Als Antwort auf die Bemühungen des US-Außenministers, zwischen der israelischen Amee und Verbänden der pro-iranischen Hisbollah einen Waffenstillstand herzustellen, rückten weitere israelische Bodentruppen in den Südlibanon nach – ausgestattet mit Panzern und der Devise ihres Premierministers Jitzhak Rabin, man werde die Militäraktion nicht stoppen, solange die Hisbollah weiterhin Raketen auf israelisches Territorium abfeuere. Die wiederum macht keine Anstalten, ihrerseits das Feuer auf israelische Siedlungen einzustellen. „Willkommen Mr. Christopher“, bemerkte lakonisch die New York Times, „so ist es eben im Nahen Osten.“
Der Satz ist symptomatisch für die Nonchalance, mit der man in der US-Öffentlichkeit die israelischen Bombenangriffe auf libanesische Wohngebiete und palästinensische Flüchtlingslager registrierte. Während die gesamte Presse derzeit auf Bosnien und einen möglichen US-Militäreinsatz zum Schutz Sarajevos konzentriert ist, wird die Eskalation im Libanon streckenweise wie ein internationaler Konflikt behandelt, der als einer unter vielen auf der immer unübersichtlicher werdenden Liste der Krisenherde abzuhaken ist.
Erst langsam scheinen die Bilder von Flüchtlingstrecks, zerbombten Häusern und demonstrierenden Hisbollah-Sympathisanten in Washington Wirkung zu zeigen. Aus dem Außenministerium war immerhin zu hören, daß die Clinton-Administration „zutiefst besorgt über die Situation“ ist, und forderte, daß den Flüchtlingen aus dem Südlibanon sofort die Rückkehr in ihre Dörfer ermöglicht werden müsse, während Präsident Clinton, derzeit mehr von innenpolitischen Sorgen um seinen Haushaltsplan geplagt, die Kampfparteien aufforderte, das Feuer einzustellen.
Für die Regierung in Washington steht einiges auf dem Spiel: Zum einen ihre Glaubwürdigkeit als Vermittler in den Nahost-Verhandlungen, zum anderen ihr außenpolitisch ohnehin nicht sehr ausgeprägtes Renommee: Ein Scheitern der Nahost-Verhandlungen würde in erster Linie als Scheitern der Clinton-Administration gewertet, die sich in diesem Fall unfähig gezeigt hätte, eine der wenigen positiven Erbstücke der Regierung Bush umzusetzen.
Folglich ließ Außenminister Christopher versichern, daß er seine geplante Reise in den Nahen Osten unabhängig von einem Waffenstillstand antreten wird – und sich im übrigen nicht durch die jüngsten Kampfhandlungen vom eigentlichen Thema ablenken lassen will: den Nahost-Friedensgesprächen. Das ist, wie Christopher selbst weiß, pures Wunschdenken. Seine letzten Tage und Nächte hat er mit Krisengesprächen mit dem syrischen Außenminister Farouk Charaa und dem libanesischen Premierminister Rafiq Hariri zugebracht und vor allem ersteren zu überzeugen versucht, jeden Nachschub an die Hisbollah zu unterbinden. Nach den kompromißlosen Äußerungen von Israels Premierminister Jitzhak Rabin scheint dies in den Augen der Clinton-Administration vorläufig der einzige Weg, einen Waffenstillstand herbeizuführen. Aus Sicht der Israelis wiederum ist das die diplomatische Verlängerung ihrer eigenen Militäraktion gegen die Hisbollah. Zu einer deutlichen Kritik gegen Israel mag sich Clinton im Gegensatz zu UN-Generalsekretär Butros Butros Ghali bislang nicht durchringen.
Nicht zuletzt darin liegt das Dilemma für Christopher: Gerade weil die Clinton- im Gegensatz zur Bush-Regierung sich unwillig gezeigt hat, auch auf die israelische Seite Druck auszuüben, muß sie sich nun ein andere Tagesordnung diktieren lassen: Krisenmanagement, nicht um die Nahost-Verhandlungen wieder in Gang zu bringen, sondern um wenigstens eine Eskalation bis hin zu einem neuen Krieg zwischen Syrien und Israel zu verhindern. Andrea Böhm, Washington
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