Unpathetisches für die „Ja-Abers“

■ Kunst-Ausstellung zur Todesstrafe im Klinkerbau der KZ-Gedenkstätte Neuengamme

„Hört auf, laßt mich Luft holen...“, rief der 17jährige Willie Francis, als er 1947 in Louisiana auf dem elektrischen Stuhl hingerichtet wurde. Hört auf, laßt mich Luft holen ist auch der Titel der Kunstausstellung, die amnesty international im Klinkerwerk des ehemaligen Konzentrationslagers Neuengamme zeigt.

Noch immer ist in 90 Staaten der Welt die Todesstrafe in der Verfassung vorgesehen, 1991 wurden laut amnesty weltweit offiziell 2703 Menschen zum Tode verurteilt, die Dunkelziffer liegt allerdings weit höher. Im Frühjahr 1992 hatte der Hamburger Arbeitskreis gegen die Todesstrafe die Idee, eine Kunstausstellung zu diesem Thema auf die Beine zu stellen. „Unsere Zielgruppe sind die ,Ja-Abers', also die, die eigentlich dagegen sind, aber bei besonders grausamen Verbrechen eventuell umschwenken könnten“, erzählt Ulrike Jensen vom Arbeitskreis gegen die Todesstrafe.

Beteiligt haben sich an der Ausstellung Galerien und Kunsthochschulen aus der ganzen Bundesrepublik, wobei die Reaktionen auf die Anfrage der Arbeitsgruppe so übermäßig rege ausfiel, daß man schließlich weit mehr Beiträge hatte, als man ausstellen konnte. Einige der Werke sind auch erst durch die Anregung von amnesty entstanden. 60 Exponate von 40 Künstlern sind nun seit Mitte Juni im Klinkerwerk der KZ-Gedenkstätte Neuengamme zu sehen.

Die Ausstellungs-Halle ist eine von drei Werkhallen des ehemaligen Arbeitslagers und liegt abseits der Hauptstraße. Beim Gang über das weitläufige Gelände stellt sich eine Ruhe ein, die offen macht für das Thema der Ausstellung. Ein seltsamer Friede liegt über dem Ganzen. Die Nähe zum Tod ist spürbar. In der Halle befindet sich kein Inventar, einzig der Schornstein in der Mitte weckt bedrückende Assoziationen. Vor allem die Installationen fügen sich in die Atmosphäre der Räumlichkeiten ein, so zum Beispiel Struktur/Ordnung von Olaf Nicolai aus Leipzig, der Stahlelementen und zeigerlose Uhren in einer dunklen Kammer anordnete, oder die Arbeit Rosenpathos der Bonnerin Heide Pawelzik, die aus Stahl und verkohlten Rosen ein zweigeteiltes Grab schuf. Sie nähern sich in ihrer Nüchternheit und klaren Struktur dem Thema auf unpathetische Weise. Dies trifft ebenso auf das nachempfundene Fallbeil des Hamburgers Gustav Kluge und die Installation Zum Tode verurteilt von Anna S. von Holleben zu, deren dünne Pfeiler mit Flügelchen aus Pappe an aufgespießte Seelen erinnern.

Im Gegensatz zu den Installationen wirken die gemalten Bilder eher verloren. Zudem versuchen fast alle malenden Künstler, durch die Darstellung schmerzverzerrter Gesichter, gefesselter Hände oder herabsausender Guillotinen das Leid unmittelbar auf die Leinwand zu bannen. Das sieht zum Teil dann wie Schülerarbeiten aus. Ein Verzicht auf die bildbegleitenden Texte, in denen die Künstler ihre Meinung auch noch einmal in Form eines Statments erläutern, hätte unnötige Pädagogisierung vermieden. Dagegen sind die Informationstafeln und auch der Katalog hilfreich und gut gestaltet.

Birgit Maaß

Bis 12. September, täglich außer Montags, 10-18 Uhr, Eintritt frei