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Keine Kontrolle der neuen Promille-Regel

■ Innensenator ahnungslos: Ob es in Ostberlin mit der 0,8-Promille-Regelung öfters kracht, wird nicht untersucht

Seit einem halben Jahr dürfen die Ostberliner AutofahrerInnen auch nach Alkoholgenuß hinters Steuer steigen – seitdem nämlich gilt auch dort die bundesdeutsche 0,8-Promille-Grenze. Doch wie sich seither die Unfallzahlen im Ostteil der Stadt entwickelt haben, weiß der dafür zuständige Innensenator Dieter Heckelmann (CDU) nicht: Unfallursachen werden nur für die gesamte Stadt erfaßt.

Zwar habe er den Eindruck, daß die Zahl der Unfälle mit Ursache „Alkohol am Steuer“ im Ostteil „leicht zunimmt“, sagte Wolfgang Klang, Leiter der polizeilichen Unfallauswertung, der taz gestern. Doch aufgrund mangelnder Daten könne er seinen Eindruck nicht belegen. Offenbar kontrolliert die Polizei Autofahrer im Ostteil der Stadt auch gar nicht häufiger auf Alkoholgenuß als die Jahre zuvor.

Dabei ist bekannt, daß die Entwicklung in den neuen Bundesländern dramatisch ist: Obwohl noch das totale Alkoholverbot aus DDR-Zeiten galt, hatte die Zahl der Unfälle unter Alkoholeinfluß mit Verletzten und Getöteten von 1991 zu 1992 um knapp ein Achtel zugenommen. Die Zahl der Unfälle mit schwerem Sachschaden (über 4.000 Mark) stieg von 3.797 auf 5.896 (plus 55 Prozent).

Im vergangenen Jahr ging in den alten Ländern jeder zehnte, in den neuen Ländern dagegen schon jeder achte Unfall auf das „Konto Alkohol“. Für dieses Jahr kann das Statistische Bundesamt bislang keine Aussage machen, weil die Zahlen für die ersten drei Monate noch ausgewertet werden.

Die Innenverwaltung nehme das Problem ernst, versichert Heckelmann-Sprecher Norbert Schmidt. Allerdings halte man es nicht für notwendig, die Entwicklung im Ostteil gesondert zu verfolgen. „Wir ersaufen in Statistiken“, sagte Schmidt. Er verwies auf die Bundesratsinitiative des Senats, die Promille-Grenze in der gesamten Bundesrepublik auf 0,5 zu reduzieren. Er glaube, daß der Bundesrat der Initiative zustimmen werde. Über die allgemeine Unfallentwicklung in Berlin konnte Schmidt keine Angaben machen, weil die Statistik über das erste Halbjahr noch nicht ausgearbeitet sei.

Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) kritisierte dagegen, daß der Unfallursache Alkohol zuwenig Aufmerksamkeit gewidmet werde. „Detaillierte Angaben sind nötig, um die richtigen Konsequenzen zu ziehen“, sagte Landesvorsitzender Ingo Franßen der taz. Es sei nicht nur nötig, zwischen Ost und West zu unterscheiden, sondern auch zwischen Innenstadt und Randbezirken. Franßen vermutet, daß aufgrund des schlechten nächtlichen Angebots von Bussen und Bahnen verstärkt in den Randbezirken „besoffen“ Auto gefahren werde. Der ADAC hält einen „besonderen Blick“ auf Ostberlin für unnötig: damit werde erneut zwischen West und Ost unterschieden. Autofahrer sollten statt dessen überhaupt keinen Alkohol trinken, denn bereits ab 0,3 Promille sei die Aufmerksamkeit beeinträchtigt, so ein Sprecher. Dirk Wildt

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