„Die sind schon oft gefahren“

EG und Bundesregierung gegen die neue Wiederaufbereitungsanlage Thorp / Den deutschen RWE-Atomstromern ist das egal  ■ Aus Gundremmingen Klaus Wittmann

Die britische Regierung hat der neuen Wiederaufbereitungsanlage für abgebrannte Brennstäbe aus Atomkraftwerken nach wie vor keine Betriebsgenehmigung erteilt. Die bereits mehrmals vertagte Entscheidung wurde erneut auf November verschoben. Denn auch im sonst nicht gerade atomkraftkritischen Kabinett Großbritanniens mehren sich die Bedenken. Aus gutem Grund: Thorp würde zum größten radioaktiven Verschmutzer Europas, haben Wissenschaftler der Umweltschutzorganisation Greenpeace ermittelt: Ganz legal dürfte die neue Atomanlage jedes Jahr 27,5 Millionen Curie Radioaktivität an die Umwelt abgeben. Das ist mehr als die Hälfte der radioaktiven Strahlung, die nach offiziellen Angaben bei der Katastrophe in Tschernobyl freigesetzt wurde.

Auch das Europäische Parlament und die Bundesregierung haben sich gegen die Inbetriebnahme von Thorp ausgesprochen. Gleichwohl wird aus deutschen Atomkraftwerken weiter Atommüll nach Sellafield transportiert. Zum Beispiel aus Gundremmingen. Trotz mehrerer Aktionen von Greenpeace, der „Mahnwache Gundremmingen“ und des Bündnisses „Schutz vor MOX“ sowie eines Antrags der SPD-Bundestagsfraktion, verließ am Montag erneut ein Zug mit Brennelementen das größte deutsche Atomkraftwerk. Das Ziel: England.

Nach Erkenntnissen von Greenpeace hat auch das Atomkraftwerk Unterweser Atommüll nach Sellafield transportiert. Der Transport nach England unterliege noch zusätzlichen Gefährdungen, „etwa dem Transport über den Ärmelkanal mit einer Fähre eines Typs, der vor Jahren bei einem Schiffsunglück vielen Menschen das Leben kostete“, heißt es in einem Protestappell des BUND in Bayern, der Grünen und der ÖDP.

Dabei ist das Risiko auch zu Lande groß genug: Die Behälter sind gegen Stürze aus großer Höhe oder Brände längerer Dauer mit hohen Temperaturen nicht geschützt. Der Appell weist außerdem noch einmal ausdrücklich auf das Urteil des Hessischen Verfassungsgerichtshofes vom 21. Juli dieses Jahres hin, in dem drei der vier Teilerrichtungsgenehmigungen für das Siemens-Brennelementewerk in Hanau gekippt wurden. Das wiederum habe zur Folge, warnen die Umweltgruppen und Parteien, daß auf unabsehbare Zeit in Deutschland keine Verarbeitung des bei der Wiederaufarbeitung gewonnenen Plutoniums, das aus Frankreich und England zurückgenommen werden muß, möglich sein wird.

Aus dem Atomkraftwerk Gundremmingen war bis gestern keine Stellungnahme zu bekommen. Nachfragen sind dem Betreiber offenbar peinlich. Die Werksleitung verweist an die Muttergesellschaft RWE (Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerke AG). Der dort genannte Ansprechpartner, hieß es, sei aber „noch einige Zeit in Urlaub“. Ein einziger Pressesprecher, der zu einer knappen Antwort bereit war, verweist lakonisch auf die Verträge zwischen den Betreibern in Deutschland und der englischen Wiederaufbereitungsanlage, zu denen er jedoch keine näheren Angaben machen wolle. „Genehmigung oder nicht, das ist für uns unerheblich, denn das Brennelemente-Lager dort ist genehmigt!“ Deswegen werde noch nicht einmal erwogen, über die Lieferung abgebrannter Brennelemente in eine nicht genehmigte WAA auch nur nachzudenken.

Auch über die Gefährlichkeit der Kanalfähren ist bei den RWE nichts bekannt. Ein erhöhtes Transportisiko bestehe nicht. „Die sind schon x-mal gefahren, ohne Zwischenfälle.“