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Wolf lobt „Hitlers Marketing“

Ein Spitzenpolitiker der hessischen Reps lehrt unbehelligt in Dortmund  ■ Von Johannes Nitschmann

Düsseldorf (taz) – Plötzlich hat es die nordrhein-westfälische Wissenschaftsministerin Anke Brunn (SPD) ausgesprochen eilig. Mitten in den Semesterferien hat sie den Dortmunder Professor Bernhard Klyscz (57) zum Rapport ins Hochschulministerium nach Düsseldorf zitiert, „zum nächstmöglichen Termin“. Offenbar beschleicht die nach Auskunft ihrer Sprecherin „extrem beunruhigte und sehr entsetzte“ Ministerin ein schlechtes Gewissen, daß mit Klyscz, der an der Fachhochschule (FH) Dortmund Betriebswirtschaft und Marketing lehrt, ein Spitzenpolitiker der rechtsextremen „Republikaner“ seit Jahren unbehelligt am Katheder braune Töne spuckt. Klyscz gehört als stellvertretender Landesvorsitzender der Reps in Hessen, Mitglied der Partei-Programmkommission und Chef der sechsköpfigen Rep-Fraktion im Kreistag von Waldeck-Frankenberg zu den maßgeblichen Schönhuber-Vasallen.

Die NRW-Wissenschaftsministerin will freilich erst „seit etwa zwei Wochen“ davon wissen, daß der Vorzeige-Professor der Rechtspartei in Vorlesungen an der Dortmunder FH rechtes Gedankengut verbreitet und den Reichsautobahnbau ebenso wie den ersten Fließband-VW als „perfektes Marketing“ Adolf Hitlers preist. Nach den der taz vorliegenden Dokumenten sind rechtsextreme und ausländerfeindliche Ausfälle von Klyscz jedoch bereits Ende 1990 beim Düsseldorfer Hochschulministerium aktenkundig, dessen Chefin damals schon Anke Brunn war. Bis vor 14 Tagen wußten nach den zuverlässigen Informationen der taz auch weder der hessische noch der NRW-Verfassungsschutz, daß einer der Schönhuber-Statthalter im Hessenland ordentlicher FH-Professor in Dortmund ist und hier am Katheder ungeniert sein rechtes Weltbild pflegt. Aufgewacht sind die Behörden erst, als die Dortmunder Studentenzeitung inDopendent publik gemacht hatte, welch Geistes Kind der im hessischen Bad Wildungen ansässige Wirtschaftsprofessor Klyscz ist, der sich nach eigenen Angaben als „im Regen stehen gelassener CDU-Wähler“ vor knapp fünf Jahren der neuen Rechten anschloß.

In einer Einführungsvorlesung für Marketing, einer Pflichtveranstaltung für alle Studienanfänger der Betriebswirtschaft an der FH Dortmund, hatte Klyscz im April dieses Jahres beim Thema „Fließbandfertigung“ Hitlers „perfektes Marketing“ propagiert. Der Marketing-Experte, Autor eines anerkannten Fachbuchs über Absatzwirtschaft, untermauerte seine These damit, daß Hitler mit dem ersten Fließband-VW ein Auto in Auftrag gegeben habe, das billiger als 1.000 Mark und durch das Ansparprinzip für jeden erwerbbar sein sollte. Zugleich sei dessen Nutzung durch den Reichsautobahnbau kalkuliert gewesen. O- Ton Klyscz: „Betriebswirtschaftlich gesehen hat Hitler eben nicht nur den Autokönig Henry Ford imitiert, sondern raffiniert weiterentwickelt, indem er die Nutzungsanwendung gleich mitlieferte.“

Dabei handelt es sich keineswegs um rhetorische Ausrutscher des Rechtsauslegers. Gerade weil ihm bekannt gewesen sei, daß seine Vorlesung an diesem Tage von Vertretern der Studentenpresse beobachtet wurde, habe er „dem Tiger so'n biß'chen Pfeffer in die Nase gestreut“, brüstete sich Klyscz gegenüber der taz. Sinngemäß habe er etwa doziert: „Alle Achtung, der Hitler hat 'en Gespür für Marketing gehabt, das muß man ihm lassen.“ Die Empörung über seine Thesen kann der Dortmunder Wirtschafts-Prof. nicht verstehen: „Für mich ist erstaunlich, daß ich den Namen Hitler im Zusammenhang mit Marketing offenbar nicht nennen darf. Ich wußte gar nicht, daß ich damit ein Tabu verletze. Als Wissenschaftler bemühe ich mich um Erkenntnisgewinn. Und dann müssen auch solche Fragen erlaubt sein.“ Im übrigen halte er „diese Vorlesungen seit 24 Jahren“, der Hochschulleitung sei sein Vorlesungsplan bekannt.

Die kruden Lehrinhalte von Klyscz aber offenbar nicht. Nach dem inDopendent-Artikel bat der Rektor der Dortmunder Fachhochschule, Hans-Jürgen Kottmann, den Rep-Professor Mitte Juli zum Rapport. Einer der taz vorliegenden Aktennotiz vom 23.7.93 zufolge, die Kottmann über das Vieraugengespräch abfaßte, wies er Klyscz „nachdrücklich auf den von ihm geleisteten Diensteid“ hin und äußerte „die Erwartung, daß er sich auch weiterhin für eine freiheitlich-demokratische Grundordnung in seiner Lehre einzusetzen habe“. Als der Rektor den Marketing-Professor ermahnte, gerade bei den Erstsemestern gründlich auf die fatalen Folgen des Hitler-Regimes einzugehen, wand sich der eloquente REP-Funktionär heraus: Er erwarte, daß Studenten in der Lage wären, die von ihm genannten Beispiele der Hitlerschen Marketingstrategie in ein gesamtgesellschaftliches Umfeld einzuordnen. Schließlich sitze hier die „Elite der Nation“, die mit dem Abitur auch eine gewisse politische Reife erlangt habe. Klyscz: „Denen muß man nicht noch im 17. Leistungskurs erklären, daß auf den Autobahnen auch Panzer gerollt sind.“

Die Leitung der FH Dortmund hat zwischenzeitlich eine erste Konsequenz gezogen, wie aus der Aktennotiz hervorgeht: „Nach einer später erfolgten Rücksprache mit dem Dekan des Fachbereichs Wirtschaft, Herrn Prof. Dr. Reusch bestand Einvernehmen, Herrn Klyscz nicht mehr in Lehrveranstaltungen für Studienanfänger einzusetzen.“ Diese Maßnahme kommt freilich arg spät. Immerhin liegen Rektor Kottmann bereits aus dem Jahre 1990 einschlägige Beschwerden islamischer Studenten über „ausländerfeindliche sowie andere diskriminierende Äußerungen von Professor Klyscz“ vor. Spätestens seit über zwei Jahren also – und nicht erst seit 14 Tagen – ist auch Ministerin Brunn über die Umtriebe des Rep-Professors unterrichtet, wie die Aktennotiz des Rektors vom 23. Juli belegt: „Das Ministerium wurde seinerzeit entsprechend informiert.“

Studenten aus dem Iran fühlten sich von Klyscz („Ich bin ein praktizierender Katholik“) in den Gefühlen ihres muslimischen Glaubens verletzt. Laut Asker K. Hasan soll der rechte Lehrstuhlinhaber während einer Vorlesung zynisch erklärt haben: „Die muslimisch- russischen Soldaten in Deutschland töten die christlich-russischen Soldaten in den Kasernen. Das ist für uns günstig, damit können wir die Wohnungsbauhilfe sparen.“ Klyscz hingegen will die Motive des Beschwerdeführers mit seinem simplen Weltbild schnell durchschaut haben: „Heute bekommen Sie einen Schein, wenn Sie entweder brillant oder aber schwierig sind.“ Er habe dem Iraner schließlich den Schein gegeben. Denn: „Schließlich will ich doch auch noch heil nach Hause kommen.“

Ziemlich zuversichtlich ist der Multi-Funktionär der „Republikaner“, aus der anstehenden Anhörung im Düsseldorfer Wirtschaftsministerium heil herauszukommen. Sein Rektor hat der Ministerin bereits mitgeteilt, daß er weitergehende Konsequenzen für nicht angezeigt halte: „Zur Zeit besteht keine Möglichkeit, Herrn Klyscz disziplinarrechtlich zu belangen.“ Der Wirtschaftsprofessor, der wegen seiner „guten Didaktik“ und einer „praxisnahen Ausbildung“ in Teilen der Dortmunder Studentenschaft ausgesprochen beliebt ist, reklamiert für seine rechten Thesen „die Freiheit von Wissenschaft und Lehre“. Der öffentliche Protest seiner Dortmunder Professorenkollegen, die – ohne die Dinge konkret beim Namen zu nennen – in einer Resolution „aus gegebenem Anlaß“ Ausländerfeindlichkeit und einen „faschistischen Wortschatz“ an ihrer Hochschule verurteilten, ficht den Schönhuber-Gefolgsmann ebenso wenig an wie die Empörung der Hochschulministerin. Den inDopendent-Redakteuren erklärte Klyscz selbstbewußt: „Was kümmert's die Eiche, wenn sich die Sau dran scheuert.“

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