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"Politik ist beim internationalen Kicken verboten"

■ Die acht-Nationen-Elf des KSC-International: "Nicht so ernst, nicht so verkrampft, was für Individualisten"

„Politik ist beim internationalen Kicken verboten“

Die acht-Nationen-Elf des KSC-International: „Nicht so ernst, nicht so verkrampft, was für Individualisten.“

“Na, Femi, schön braun geworden bist du im Urlaub.“ Femi Savage, der schwarze Torwart des KSC International, grinst: „Mallorca, zwei Wochen, viel Sonne“.

Es ist Juli, ein Dienstag abend auf der Sportanlage beim Kuhhirten. Fußball-Landesligist KSC International nimmt das Training auf. 22 Spieler aus acht Nationen sind hier beim Kicken vereint: Sie kommen aus der Türkei, aus Afrika, Europa und Deutschland. Die multikulturelle Mischung ist Vereinsprogramm: Laut Satzung will der KSC „den Kultur- und Sportbetrieb zwischen den Nationen (international) ... fördern. Es ist insbesondere beabsichtigt, Mitglieder aus möglichst vielen Nationen aufzunehmen.“

Jeder der Spieler hat sein eigenes Motiv, warum er ausgerechnet hier kickt. Khalid Ghazi, Marokkaner, Fachhochschulstudent E-Technik und Mittelfeldspieler beim KSC: „Die machen hier ein anderes Spiel. Nicht so ernst, nicht so verkrampft. Eher schön, mit Möglichkeiten für Individualisten.“ Das ist ein Spiel für ihn. Daß hier die Mehrheit Ausländer sind, hat für ihn einen weiteren Vorteil: „In anderen Mannschaften bin ich mit dunkler Haut aufgefallen, hier falle ich nicht auf.“

Mit rassistischen Sprüchen und Anmache, verdeckt oder direkt, haben sich alle ausländischen Spieler schon auseinandersetzen müssen. „Es gibt immer noch Leute, die glauben, daß wir auf dem Fußballfeld nur treten und spucken können“, erzählt Ghazi. Umso verwirrter ist das Publikum, wenn ein Ausländer einen astreinen Fußball spielt und seine Mannschaft womöglich in Führung schießt. „Dann versuchen sie vom Spielfeldrand aus, dich fertig zu machen.“ Beim KSC, so glaubt Ghazi, sind die einzelnen Spieler vor so etwas sicherer. „Da geht es dann doch gegen die ganze Mannschaft, und das stimuliert eigentlich nur.“

Torwart Femi Savage nennt andere Gründe, warum er seinen alten Verein verlassen hat. „Da, wo ich früher gespielt habe, haben sie nicht mit mir geredet. Ich hatte immer das Gefühl: Wenn das Spiel zu Ende war, kannten mich die Leute nicht mehr.“ Angemacht worden ist er direkt noch nicht. Aber er glaubt, daß ausländische Spieler bei den deutschen Schiedsrichtern schlechtere Karten haben als die Deutschen. Werden Ausländer gefoult, bleibe der Pfiff oft aus, foulen sie selbst, reagierten die Schiedsrichter überzogen.

Michael Brümmer ist ein Neu

Die Mannschaft vom KSC InternationalFoto:Jörg Oberheide

einkauf beim KSC. Er ist Deutscher, sieht mit seinen dunklen Haaren und dunkler Haut eher südländisch aus. Vor allem bei Auswärtsspielen mit seinem früheren Club mußte er sich Sätze anhören wie: „Was willst du eigentlich hier, Kanake?“ Warum ist er zum KSC gegangen? „Finanzielle Gründe“, sagt er. Und: „In diesem Verein bin ich sicher, daß nicht hinter meinem Rücken getuschelt wird.“ Die neuen Spieler erzählen auch, wie sie in ihren alten Teams auf den KSC International eingestellt worden sind. „Immer auf die Socken“, hat es da geheißen. „Vor dem Spiel gegen International haben wir das regelrecht trainiert“, erinnert sich einer.

Zeki Anikyurtcu ist zweiter Vorsitzender des Vereins und Gründungsmitglied. „Wir haben früher eine eigene Mannschaft gehabt bei Weser 08“, erinnert er sich. Dort waren fast ausschließlich türkische Fußballer am Start. Ende der 70er Jahre hat sich die Mannschaft von Weser 08 dann selbständig gemacht. Zum Eintrag ins Vereinsregister unter dem Namen Kultur- und Sportclub International kam es dann 1984. „Viele Spieler sind zu uns gekommen, weil sie in den anderen Vereinen keine Chance gesehen haben, in die erste Mannschaft zu kommen“, erzählt Anikyurtcu. Als Ausländer, so die Erfahrung von vielen Spielern, muß man für einen Stammplatz

deutlich besser sein als der Konkurrent, und manchmal nutzt auch das nichts.

Die Fußball-Welt für international besetzte Mannschaften ist allerdings nicht nur grau. „Es gibt auch viele gute Vereine, mit denen wir prima klarkommen“, erzählt Anikyurtcu. In Bremen ist die Fußball-Szene klein und überschaubar. Man kennt sich, wenn man drei-, viermal gegeneinander gekickt hat. Mittlerweile hat auch fast jede Amateurmannschaft ihre vier, fünf, sechs ausländischen Spieler. Das Amateurstatut des Bremer Fubball- Verbandes (BFV) kennt da keinerlei Beschränkungen. „Deshlab können wir auch nicht sagen, wieviel Ausländer hier in Bremen spielen“, erklärt BFV-Geschäftsführer Dieter Karsch. Gezählt hat er aber im letzten Jahr die „reinen Ausländermannschaften. Das waren 26.“

Anerkennung hat sich der KSC International auch sportlich verschafft. Im Durchmarsch ging es nach der Anmeldung beim Verband von der Kreisliga C bis in die Landesliga. Im letzten Jahr wäre es dann fast wieder bergab gegangen. Nur mit Hängen, Würgen und einem famosen Endspurt ist der KSC in der Liga geblieben. Daß es nicht wieder soweit kommt, dafür soll in diesem Jahr der neue Trainer Herbert Adelt sorgen. Zusammen mit Masseur Wilfried Vetter ist er so etwas wie die deutsche Seele der

Mannschaft. „Ich liebe das Extreme“, erzählt Adelt. Die Mannschaft von International habe „einen gewissen Ruf.“ Welchen? „Naja“, sagt, „es ist bekannt, daß es hier eine Trainingsbeteiligung von 50 Prozent gibt. Trainer werden verschlissen, teilweise hat der Vorstand die Aufstellung gemacht.“

Mit Adelts Verpflichtung soll das alles ein Ende haben. „Ich werde hier ein bißchen Normalität hereinbringen“, verspricht er. Daß jemand nicht zum Training kommt, weil er Spätschicht hat: Da kann man nichts ändern. Aber daß beim ersten Training nur sieben Spieler erschienen sind, „das wird aufhören“. Außerdem sei die Mannschaft konditionell in einem bemitleidenswerten Zustand. „Hier ist jahrelang nichts gemacht worden.“ Masseur Vetter spricht von „Mentalitätsproblemen“. „Die kommen eben mal eine Viertelstunde zu spät zum Training, und die türkische Viertelstunde dauert manchmal eben auch zwei.“

Für den nötigen Background der Mannschaft sorgt seit eineinhalb Jahren der erste Vorsitzende Ali Gülec, der das Amt von sei

nem Vater Sherif Gülec übernommen hat. Die „erste“ des KSC International, neben einer Altherren-Formation die einzige Mannschaft des Vereins, wäre nicht dort, wo sie steht, ohne die Gülecs. Die machen mit ihrer Kebap-Kette Kismet Trikotwerbug, zahlen bei Bedarf Siegprämie und sorgen dem Vernehmen nach auch für das nötige Handgeld beim Spielerkauf. Das alles spielt sich auf dem Niveau der Landesliga ab, wo gelegentlich vierstellige Summen den Besitzer wechseln, wenn es um Neuverpflichtungen geht. Der KSC bildet da keine Ausnahme.

„Die Gülecs sind fußballverrückt“, erzählt ein Vertrauter. Sie sehen sich jedes Spiel des KSC an und machen eine große Fußball- Feier draus, wenn der Europapokal ihnen ein Spiel von Galatasaray Istanbul im Weserstadion beschert. „International, das ist der Verein aus dem Steintor“, sagt dagegen Ali Gülec. Nicht er allein, die Steintorschen seien es, die den Verein mit Geld unterstützten. 120 Mitglieder hat der KSC auf seiner Liste, die meisten davon sind passive „Spender“.

„Hier in Bremen“, erzählt der Vorsitzende, „habe ich vom Fremdenhaß noch nichts erlebt.“ Die Ereignisse von Mölln und Solingen haben bei ihm keine Ressentiments ausgelöst. „So etwas darf die Freundschaft nicht zerstören“, sagt er, der als Geschäftsmann jeden Tag Kontakt mit deutschen Kunden hat. „Wer die Wohnungen der Ausländer anzündet, macht doch nur das eigene Land kaputt,“ Fußball setzt er dagegen, eine Verbindung zwischen den Menschen verschiedener Nationen. Dann zeigt mit der Hand zur Tür des Vereinsheims in der Friesenstraße: „Ist immer auf, die Tür, kann jeder 'reinkommen.“ Bedingung: „Politik ist hier verboten!“

Manchmal hat die große Fußball-Freundschaft Probleme mit dem deutschen Vereinsrecht. Seit der KSC International im Vereinsregister beim Amtsgericht aufgenommen ist, muß er auch die Auflagen erfüllen: Regelmäßige Mitgliederversammlungen, Meldung der Vorstände ans Gericht etc. Und da kam es schon zu kleineren Pannen. 1989 beispielsweise mußte eine Mitgliederversammlung wiederholt werden, weil auch „Nichtmitglieder an Vorstandwahlen teilgenommen“ hatten, heißt es ganz locker in einem Brief von Sherif Gülec an das Amtsgericht. Und weil der Verein das Protokoll der ordentlichen Mitgliederversammlung 1991 nicht ordnungsgemäß ausgefüllt hat, sind auch schon mal Zwangsgelder gegen den Vorstand festgelegt vollstreckt worden. Das sind aber nur Kleinigkeiten, wen regt das schon auf. Denn letztlich renkt sich das immer irgendwie wieder ein.

Zafer Tamer, Mitglied im Vereinsvorstand, gibt das Saisonziel für die kommende Saison aus: „Aufstieg in die Verbandsliga.“ Die erste Nagelprobe hat der KSC auf eigenem Platz auf der Bezirkssportanlage Süd aber erst einmal verloren: Gegen den höher spielenden Verbandsligisten Vahr hat sich die Elf im Roland- Pokal in der Verlängerung mit 0:1 geschlagen geben müssen. „Was soll's“, sagt Ali Gülec nach Abpfiff der Partie, „wir haben gut gespielt.“ Dann spannt er seinen Schirm auf und geht — erst ins Geschäft, dann ins Vereinsheim. Tee trinken, und dabei ein bißchen Karten spielen, vielleicht. Markus Daschner

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