: Die etwas andere Schweigespirale
■ Das US-Projekt "FAIR" schwimmt gegen den antifeministischen Medien-Mainstream
„Arbeiten in der Oben-ohne- Bar ist der lustigste Job der Stadt“, hieß es in der Fernsehsendung „Heart Copy“. Ein Fall für FAIR, eine US-amerikanische Medienbeobachtungsgruppe, die sich vor allem mit von den Medien verbreiteten antifeministischen Vorurteilen befaßt. Ihre wichtigste Aufgabe: Ein öffentliches Bewußtsein für Themen zu schaffen, die von den Medien ausgeschlossen werden sowie alternativen Medien eine Lobby zu geben.
Das Frauen-Medien-Projekt gibt es seit zwei Jahren. FAIR analysiert die wichtigsten Nachrichtenmedien der USA. Die Ergebnisse dieser Arbeit werden in der Zeitschrift Extra! oder einer eigenen Radiosendung veröffentlicht, die 36 Städte erreicht. „Hier geht es darum aufzuzeigen, daß Frauen aus zahlreichen öffentlichen Diskussionen zu Fragen der Ökonomie und Außenpolitik herausgehalten werden, mit der Begründung, das seien keine Frauen-Themen“, sagt Tiffany Devitt, Mitarbeiterin von FAIR und Redakteurin von Extra!. Ein weiterer Grund für die Gründung der Frauen-Medien-Initiative sei der Rückschlag (backlash) gegen die Frauenemanzipation der 60er und 70er Jahre gewesen.
FAIR hat während der letzten zwei Jahre alle Artikel der sechs großen Zeitungen der USA zum Thema Abtreibung untersucht. „Die meisten Artikel beschäftigen sich damit, wie das Thema Abtreibung die meist männlichen Politiker und deren Karrieren beeinflußt. Es fehlen Berichte darüber, wie Frauen behandelt werden, daß Gelder für Beratungen gekürzt werden und die Zahl der Kliniken schrumpft, in denen Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt werden“, erklärt Devitt.
Gewalt gegen Frauen ist ein weiteres Thema der Initiative: Gegen ein Fünftel aller Frauen in den USA wird durch den Ehemann oder Freund Gewalt ausgeübt. Doch nur in einem Fünfzehntel der von FAIR untersuchten Artikel über Gewalt in der Privatsphäre wird darüber berichtet.
Die Sieger schlagen zu
Daraufhin startete FAIR eine Medien-Kampagne zum „Superball- Sunday“. Dieser Tag ist nicht nur das größte Football-Ereignis in den USA, sondern auch der Tag, an dem in besonderem Maße Gewalt gegen Frauen ausgeübt wird. Überraschendes Ergebnis der „Superball-Sunday“-Studie: Nicht die frustrierten Verlierer, sondern vor allem die Fans des Siegerteams mißhandeln ihre Freundinnen/ Frauen sexuell.
FAIR veröffentlichte einen Anti-Gewalt-Spot mit einer Notrufnummer für Frauen mit der Aufforderung, Gewalt in der Privatsphäre zu thematisieren. Die Washington Post brachte daraufhin einen Artikel, der die Glaubwürdigkeit der Initiative angriff. Darin hieß es: „FAIR sei eine Gruppe von Feministinnen, der man sowieso nicht trauen könne“, berichtet Devitt. „Anstatt das Thema ,Gewalt in der Privatsphäre‘ zu behandeln, machten sie FAIR zum Thema.“
Im Vergleich zur Rassendiskriminierung wird die Diskriminierung von Lesben und Schwulen in der US-Gesellschaft eher toleriert. Nicht nur, daß Frauen in den Medien nur Zugang haben, solange sie über Frauenthemen sprechen: „Es gab noch nie eine bekennende Lesbe im US-Fernsehen, die beispielsweise über die US-Politik am Golf sprach“, sagt Devitt.
Ein weiteres großes Thema von FAIR ist Pornographie. „Es gibt in den US-Medien eine Tendenz, die Debatte um Pornographie zu verharmlosen.“ Die Forderung nach Anti-Porno-Gesetzen betrachtet Devitt allerdings mit gemischten Gefühlen. „Die Gefahr ist, daß sie gegen Feministinnen verwendet werden“, sagt sie. In Kanada, wo es bereits ein Anti-Porno-Gesetz gebe, sei als erstes ein Lesbenbuchladen aufgrund dieses Gesetzes angegriffen worden. FAIR sei sich in dieser Frage nicht einig und wolle nicht gleich nach dem Staat rufen. Klar sei aber – so Devitt –, daß „eine Gruppe, deren Stellung in der Gesellschaft permanent erniedrigt wird, die unterdrückt, mißachtet und machtlos ist, eher Opfer von Gewalt wird. Solange die Medien das Bild von Frauen in dieser negativen Art darstellen, werden Frauen weiterhin und zunehmend Opfer von Gewalt sein.“ C. Plass-Fiedler/
G. Fischer/ M. Burandt (ID)
„Extra!“ ist zu beziehen bei: FAIR/„EXTRA!“, Editorial office, 130 West 25th Street, New York, NY 10001, Tel. 212-633-67 00; Fax 212-727-7668.
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