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Daumenkino

Aus dem Dänischen etwas holzpantinenhaft übersetzt ist Rainer Werner Fassbinder: Leben und Werk eines maßlosen Genies von Christian Braad Thomsen, der sich schon auf dem Einband durch eine Spiegelmontage keck als Fassbinders treuer Vasall präsentiert. Im Vorwort steht dann durchaus: „Wenn das alte Sprichwort stimmt, daß Liebe blind macht, bin ich nicht der Richtige, über Fassbinder zu schreiben, denn ich habe ihn geliebt.“ Mit diesem Vorwort gleichsam parfümiert, stößt man dann zu den einzelnen Kapiteln vor, die Fassbinders Leben und Arbeit einerseits chronologisch, anderseits nach griffig-schnittigen, von keinerlei eigenen Ideen belasteten Formeln in artige Portiönchen verpacken. „Der doppelte Mensch“ spielt auf Fassbinders Spaltungs- und Verdoppelungsstrategien an, die Thomsen originellerweise als Kern des ×uvres ausgemacht hat. Im Kapitel „Das Elternhaus“ folgt „Freuds Moses“, in welchem wir zu unserer Verblüffung lesen müssen, daß „einerseits ein strenges Über-Ich erforderlich [ist], um durch zielbewußten Kampf ein neues Gesellschaftssystem herbeizuführen ... andererseits gerade ein strenges Über-Ich der ärgste Feind des Befreiungskampfes“ ist. Potzblitz! Den phantastischen Fassbinder- Monographien von „Cahiers du Cinema“-Autor Yann Lardeau (warum wurde die nicht übersetzt?) und Thomas Elsaesser oder dem „Text und Kritik“-Heft 103 fügt dieser aufwendig gemachte Band außer einer naiven Geschwätzigkeit nichts, aber auch gar nichts hinzu.

Fast pünktlich zum 65. Geburtstag des Regisseurs erscheint Stanley Kubrick: Das Schweigen der Bilder, eine Monographie des Kölner Medienwissenschaftlers Kay Kirchmann. Der Text trägt Würde und Bürde einer aufgemotzten Magisterarbeit, seine Kernthese ist entsprechend kühn: Auf der Suche nach einer übergeordneten „ästhetischen Programmatik“ stößt Kirchmann auf den historischen Ästhetizismus des 19. Jahrhunderts und landet – hast du nicht gesehen – bei Flaubert, Eros und Thanatos, Nekrophilie, Menschen, Maschinen, Marionetten. „2001: A Space Odyssee“ und „Clockwork Orange“ sind nichts geringeres als die „filmische Reflexion der wichtigsten ästhetischen/ästhetizistischen Programme der letzten hundert Jahre“. Pardautz! Die Sache mit Flaubert hätte ja womöglich sogar ganz schön werden können, wenn man sie mit etwas weniger Verve angefaßt hätte. So verdümpelt sie im Zitatensumpf. mn

Christian Braad Thomsen: „Rainer Werner Faßbinder: Leben und Werk eines maßlosen Genies“. Aus dem Dänischen von Ursula Schmalbruch. Roger & Bernhard bei Zweitausendeins, 426 S., geb., mit Fotos, 33 DM

Kay Kirchmann: „Stanley Kubrick – Das Schweigen der Bilder“. Hitzeroth Verlag, 210 S. mit Fotos, geb., erscheint demnächst.

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