piwik no script img

Izetbegović will eigenen Muslim-Staat

■ Der bosnische Präsident will auf einer Konföderation nicht mehr bestehen / Er nimmt auch die bisherige Zusage zurück, die muslimischen Truppen würden sich nach und nach entwaffnen lassen

Genf (taz) – Die Delegation des bosnischen Präsidenten Alija Izetbegović wird bei den Genfer Verhandlungen letzten Endes wahrscheinlich auf einem völlig „unabhängigen“ bosnisch-muslimischen Staat bestehen, ohne jegliche konföderative oder Unions-Bindungen an Serben und Kroaten. Zudem werden die bosnischen Muslime ihre Entwaffnung „niemals zulassen“. Das sagte Izetbegović in einem in der Nacht zum Mittwoch in Genf geführten Interview mit der kuwaitischen Nachrichtenagentur KUNA, dessen Wortlaut der taz vorliegt. Auch gestern verweigerte der bosnische Präsident die Teilnahme an den Genfer Verhandlungen, solange die bosnischen Serben ihre Angriffe auf den bei Sarajevo gelegenen Igman-Berg nicht einstellen und – wie von Serbenführer Karadžić bereits am Montag zugesagt – den Bjelasnica-Hügel mit dem bosnischen Fernsehsender räumen.

In dem Interview begründete Izetbegović zunächst, warum er am letzten Freitag in Genf den multiethnischen bosnischen Einheitsstaat endgültig aufgegeben und im Prinzip der Aufspaltung des Landes in drei ethnische Teilrepubliken im Rahmen einer Union zugestimmt hat: „Wir befürchten, daß Bosnien-Herzegowina bei einer Fortsetzung des Krieges in zwei Teile aufgeteilt wird – zwischen Serbien und Kroatien. Diese Gefahr ist sehr real.“ Die ethnische Dreiteilung sei „nicht gut für Bosnien-Herzegowina, aber das kleinere von zwei Übeln“. Bei dieser Verhandlungsrunde habe die letzte Chance bestanden, mit der Annahme des Dreiteilungsmodells für die Muslime „noch einen Teil Bosnien- Herzegowinas zu retten“. Eine Fortsetzung des Krieges sei den inzwischen überwiegend muslimischen bosnischen Regierungstruppen „nicht mehr länger möglich“. Der Präsident erklärte, „als Ergebnis dieser Verhandlungen“ werde seine Delegation möglicherweise einen „zwar kleineren, dafür aber unabhängigen Staat“ für die bosnischen Muslime „akzeptieren“. In seiner aus Mitgliedern des Staatspräsidiums, der Regierung und der Parlamentsopposition sowie aus Regional-und Lokalpolitikern bestehenden Genfer Delegation gebe es „viele Leute, die glauben, dies ist die bessere Lösung für uns“.

In Abkehr von bisherigen Zusagen betonte Izetbegović: „Wir werden unsere Entwaffnung niemals zulassen – niemals, auch wenn das in Vereinbarungen steht.“ Sowohl der von ihm unterschriebene ursprüngliche Vance/Owen-Plan als auch die Vereinbarung für eine Union ethnischer Teilrepubliken, der er am Freitag mündlich im Grundsatz zugestimmt hatte, sehen eine schrittweise vollständige Demilitarisierung von Bosnien-Herzegowina vor. Andreas Zumach

Zum Friedensmarsch nach Sarajevo

siehe Seite 2 und Kommentar Seite 10

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen