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Scientology macht in Frieden

■ Das rührige „Aktionsbüro Bosnien-Herzegowina“ mit Sitz am Steindamm ist offensichtlich ein Ableger der Psycho-Sekte     Von Carla Struck

„Friedensbewegung Europa“ prangt in großen Lettern über dem „Aktionsbüro Bosnien-Herzegowina“ am Hamburger Steindamm 47. „Komm ruhig herein und informiere dich“, lädt ein freundliches Schild ein.

In den luxuriös ausgestatteten Büroräumen sind rührige Menschen von morgens bis spät in die Nacht bei der Arbeit, ununterbrochen klingeln die Telefone. Viele bosnische Flüchtlinge kommen hierher, froh, eine Anlaufstelle zu haben, von der aus sie auch kostenlos nach Hause telefonieren können.

Doch die „rein private“, von „Menschen für Menschen“ ins Leben gerufene Organisation ist ganz offensichtlich ein gut getarnter Ableger der Scientology-Sekte: Präsidentin ist die Bayerin Rosemarie Mundl, zugleich Vorsitzende der 1972 von Scientologen gegründeten „Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen Menschenrechte“ (KVPM).

„Viele haben alles stehen und liegen lassen, arbeiten ehrenamtlich, um für ein Ende dieses grausamen Krieges zu kämpfen“, sagt die resolute Mundl. „Seit 15 Jahren arbeite ich für die Menschenrechte, war schon bei Mutter Teresa in Kalkutta und bei Karl-Heinz Böhm.“

Insgesamt sechs Büros gibt es in Deutschland. In Hamburg arbeiten auch viele Menschen aus dem ehemaligen Jugoslawien mit. Sylvia Stancic (Name geändert), Mitarbeiterin einer Hilfsorganisation, ist tief beunruhigt: „Einige haben in ihrer Unwissenheit die Mitgliedschaft bei Scientology unterschrieben, besuchen schon Kurse. Sie sollen als 'Auditor' ausgebildet Bosnien 'missionieren'.“

„Wir werden von Menschen verschiedener Nationalitäten und Religionen unterstützt“, behauptet Bernd Trepping, Mitglied im KVPM. Daß Scientologen dabei sind, verbirgt er nicht: „Es kommt doch auf das Ziel an!“ Von dem Motto „ein Europa ohne Krieg und Wahnsinn“ ließen sich auf einer Demonstration in Bonn am 17. Juli zunächst viele engagierte Menschen täuschen: Seit Juni veranstaltet die Organisation Friedensmärsche in allen europäischen Hauptstädten. Sylvia Stancic: „Viele Bosnier haben mitdemonstriert, ohne zu wissen, was dahinter steht.“

Das „Aktionsbüro Bosnien-Herzegowina“ will auch herausgefunden haben, wer Schuld ist an den „ethnischen Säuberungen“, dem Hinschlachten unzähliger Menschen: Psychiater und ihre gehirngewaschenen Patienten. Karadzic, Milosevic, Cosic - auch Friedensvermittler Lord Owen gehöre zum Komplott. Diese Argumentation deckt sich mit der abstrusen Ideologie der Scientologen. Schon Begründer L. Ron Hubbard meinte, die Weltverschwörung der Psychiater aufgedeckt zu haben. Psychologen, Psychiater und die Pharmaindustrie, alle seien Drahtzieher der internationalen Politik und verantwortlich für Kriminalität und Drogensucht.

Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV), die sich für verfolgte Minderheiten in der ganzen Welt einsetzt, lehnt das Aktionsbüro ab. Sprecher Marcus Pucnik sieht eine große Gefahr: „Scientology nimmt sich hier gerade ausländischer Bevölkerungsgruppen an, die sich von unserer Gesellschaft allein gelassen fühlen oder nicht ausreichend informiert sind.“

Der bosnische Verein Stranka Demokratske Akcije (SDA) in Hamburg hat sich offiziell distanziert. Vorsitzender Aden Alibalic: „Wir können nicht verhindern, daß einige weiter dort hingehen, und ich kann es verstehen. Wenn man so verzweifelt ist wie wir, würde man selbst mit dem Teufel einen Pakt eingehen.“

Rosemarie Mundl hat ihre Fühler schon nach Zagreb ausgestreckt. „Dort gibt es bereits ein 'Aktionsbüro Bosnien'“, weiß Alibalic. „Sie hat auch Kontakte zu Bedem Ljubavi (Wall der Liebe), einer Organisation, die sich um vergewaltigte Frauen kümmert.“

Währenddessen werden weitere Friedensmärsche organisiert. „So lange, bis der Krieg zu Ende ist“, sagt Rosemarie Mundl. In wenigen Wochen will sie ein Kriegsverbrechertribunal veranstalten: „Wir werden der UNO zeigen, daß so ein Tribunal nicht fünf Jahre dauern und 30 Millionen Dollar verschlingen muß.“

Marcus Pucnik allerdings fürchtet um den Ruf seriöser Hilfsorganisationen und daß unwissende Menschen auf das von Scientologen angegebene Spendenkonto einzahlen könnten.

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