: Kritischer Betriebsrat bangt weiter
■ Der Betriebsrat von DeTeWe beantragt den Ausschluß eines Mitglieds / Erster Termin vor dem Arbeitsgericht
Noch keine Entscheidung im Fall des DeTeWe-Betriebsrats S., der vom Ausschluß bedroht ist. Das Arbeitsgericht, vor dem gestern die mündliche Verhandlung stattfand, beraumte einen weiteren Termin an. Wie berichtet (siehe taz vom 10.8.), schwelt seit längerem im Betriebsrat des Telefonherstellers in Kreuzberg ein heftiger Streit. Eine Minderheit um S. wirft dem Betriebsratsvorsitzenden und seiner Gruppe Unfähigkeit und Nachsicht gegenüber der Geschäftsleitung vor. Im Frühjahr faßte die Mehrheit der Mitglieder den Beschluß, S. aus dem Gremium auszuschließen. Begründung: Er habe nach Paragraph 23, Absatz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes seine gesetzlichen Pflichten als Betriebsrat grob verletzt.
Arbeitsrichter Hartmut Kelch war gestern sichtlich bemüht, den Streit beizulegen – erfolglos. Seinen Rat, S. sollte bis zu den Betriebsratswahlen 1994 seine Arbeit ruhen lassen – schließlich drohe ihm bei einem Ausschluß der Verlust des Kündigungsschutzes – lehnte Anwalt Claus-Dieter Conrad kategorisch ab. Ebenso ließ sich die Gegenseite nicht auf Conrads Vorschlag ein, den bislang recht rüden Stil der Auseinandersetzungen zu dämpfen. Eine Besserung, so argumentierte der Anwalt des Betriebsrates, Thomas Schneider, sei nicht zu erwarten, folglich halte man den Antrag aufrecht. Begründet hatte der Betriebsrat den Ausschluß unter anderem damit, daß S. Kollegen mit Wörtern wie „du alte Drecksau“ beschimpft haben soll. Einzig diese Beleidigungen, so Richter Kelch gestern, könnten als Verletzung seiner gesetzlichen Pflichten gewertet werden.
Andere vorgelegte Schriftstücke, mit denen S. Vergehen nachgewiesen werden sollten, reichten Arbeitsrichter Kelch nicht aus. Die Unterstützung von S. für eine Unterschriftenliste, in der dem Betriebsrat das Mißtrauen ausgesprochen worden war, sei zunächst ein „moralisches Problem“. Es verstoße aber ebensowenig gegen die Pflichten eines Betriebsrats wie die Vorwürfe, S. habe durch „penetrant unsinnige Fragen“ die Sitzungen gestört oder Abstimmungen durch Verlassen des Raumes gesprengt. Kelch forderte von Rechtsanwalt Schneider, im weiteren Verfahren „konkreter“ zu werden. Gegenüber S. machte Kelch deutlich, daß das Gericht im weiteren Verfahren die „Verrohung der menschlichen Umgangsformen nicht zum Standard erheben wird“. Ein neuer Gerichtstermin stand gestern noch nicht fest. Severin Weiland
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