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„Eine völlig unpolitische Sportart“

Findet Rudolf-Heß-Gedenkfeier am Samstag auf Privatgelände statt? / Nahkampftrainings von Rechtextremisten sind dort gang und gäbe / Doch Polizei hält Übungen für Sport  ■ Aus Bayreuth Doris Merz

Mit einem allgemeinen Versammlungsverbot wollen die Behörden in Oberfranken, Sachsen und Thüringen in diesem Jahr den öffentlichen Aufmarsch von Tausenden von Neonazis zum Gedenken an den Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß verhindern. Daß die rechtsextreme Szene aus dem In- und Ausland ihren „Märtyrer für den Frieden“ auf einem Privatgelände feiern könnte, stellt die Polizei jedoch vor Probleme. Denn Möglichkeiten dazu gäbe es genug. Seit langem treffen sich im Frankenwald um Kulmbach örtliche Neonazis mit prominenten Rechtsextremisten, um Gotcha-Spiele zu betreiben, mit scharfer Munition zu üben oder in Kampfanzügen den Nahkampf zu trainieren.

Seit Monaten ist das Gelände einer ehemaligen Papierfabrik im oberfränkischen Stadtsteinach an jedem Wochenende fest in den Händen von jungen Männern, ausgerüstet mit Kampfanzügen und Gotcha-Pistolen, deren Munition aus Farbkugeln besteht. „Es gibt Krieg im Steinachtal“ titelte schon die örtliche Bayerische Rundschau. Doch alles hatte seine rechtsstaatliche Ordnung. Gotcha-Spiele sind hierzulande auf befriedetem Gelände erlaubt. Grundstückseigner Wolfgang Schwarz aus dem kleinen Örtchen Guttenberg bei Stadtsteinach hatte der Truppe das Gelände der Papierfabrik zur Verfügung gestellt, alles war ordnungsgemäß beim Landratsamt angemeldet worden. Polizeihauptkommissar Gerhard Koenen spricht von einer „völlig unpolitischen sportlichen Betätigung“, die dort vor sich gehe. „Das kommt aus Amerika.“

Daß sich auf dem Fabrikgelände auch zentrale Figuren der rechtsextremen Szene tummeln, ist ihm „nicht bekannt“. Vergangenen Sonntag nahm jedoch der Münchner Yuppie-Neonazi Bela Ewald Althans das Gelände der Papierfabrik in Augenschein. Althans, Veranstalter mehrerer Kongresse zur Leugnung des Holocausts, organisiert die Busse aus Südbayern für den am Sonntag angekündigten Heß-Marsch. Auch holländische und österreichische Neonazis finden Gefallen an den „Spielen“ im Steinachtal. Beobachter wollen gar Gerhard Endress aus Wien ausgemacht haben, der im letzten Jahr als Kontaktmann in Österreich für den Heß-Marsch fungierte und derzeit Chef der militanten österreichischen Neonazi- Organisation „Volkstreue Außerparlamentarische Opposition“ ist.

Bei soviel überregionaler Prominenz dürfen natürlich die örtlichen Neonazi-Führer nicht fehlen. Kai Dalek, Inhaber eines Computer-Graphic-Design-Studios in Steinwiesen bei Kronach und Kader der von Michael Kühnen bereits 1977 gegründeten „Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front“, wurde im Steinachtal gesichtet. Im letzten Jahr war Dalek für den Heß-Marsch bundesweit Ansprechpartner für „Koordination, Durchführung und aktuelle Information“. „Die einzige große bundesweite Veranstaltung der Nationalen Bewegung darf nicht sterben“, überschrieb er die Spendenaufrufe auf seinem Geschäftsbriefpapier für das Heß-Spektakel. Mit dabei in der ehemaligen Papierfabrik auch die Funktionäre des im Juni vom bayerischen Innenministerium verbotenen „Nationalen Blocks“ (NB), Günter Kursawe und Jürgen Sünkel. Der NB entstand als bayerische Abspaltung der im Dezember letzten Jahres verbotenen „Deutschen Alternative“. Deren ehemaliger sächsischer Landesvorsitzender Roman Dannenberg ist inzwischen von Hoyerswerda ins oberfränkische Hof umgezogen und versucht, von dort die Bewegung zu reorganisieren.

Lediglich der Chef-Organisator der alljährlichen Heß-Aufmärsche, der Hamburger Christian Worch, wurde im Wald bei Stadtsteinach noch nicht gesichtet. Für Worch haben die Heß-Aufmärsche eminente Bedeutung. Dort überwinde die Rechte „ihre Organisationsegoismen“ und beweise, daß „die Straßen uns gehören“. Aus solchen Aufmärschen wie 1991 in Bayreuth und 1992 im thüringischen Rudolstadt mit jeweils 2.000 Teilnehmern bezieht die Szene ihre Stärke. Nur eine Woche nach Rudolstadt startete das Pogrom in Rostock.

Das Aufstellen von Bierbänken und -tischen in den letzten Wochen läßt für Beobachter vor Ort das Gelände als möglichen Treffpunkt für das Heß-Spektaktel in Frage kommen. „Bei uns war doch noch nie etwas los“, wischt Hauptkommissar Koenen aus Stadtsteinach solche Spekulationen vom Tisch.

Doch auch er muß zugeben, daß die Umtriebe in den Wäldern zwischen Kulmbach und Kronach nicht immer so völlig unpolitisch sind, wie es die Behörden nach außen hin darstellen. Koenen, als passionierter Jäger oft im Wald unterwegs, entdeckte schon mal bei Stadtsteinach ein Zeltlager, in dem junge Leute, mit Stahlhelmen, Koppeln und Patronengürteln ausgerüstet, kampierten. In Mainleus bei Kulmbach trainierten sogenannte „Werwölfe“ mit unverkennbar „rechtsgerichteter Einstellung“. Einer dieser „Werwölfe“ ist derzeit auch auf dem Gelände im Steinachtal aktiv. Anfang Juni wurde die Kriminalpolizei in die ehemalige Papierfabrik beordert. Ein bislang unbekannter Schütze hatte mit einer großkalibrigen Waffe auf eine Garage geschossen und dabei einen Personenwagen völlig demoliert.

Sonnwendfeiern mit Hakenkreuzfahnen und symbolhaften Verbrennungen von Strohpuppen in den Wäldern im Stadtsteinacher Oberland beunruhigen Hauptkommissar Koenen dagegen weniger. „Das sind alles harmlose Leute.“ Koenen gab gar die Adresse der Frau, die ihn auf die Vorkommnisse aufmerksam gemacht hatte, einfach an die Eigner des Waldstückes bei Hermes weiter. „Das war eine Dame aus dem linken Spektrum“, begründete er sein Vorgehen.

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