piwik no script img

In dieser Woche noch die Plädoyers

■ Im Sachsenhausen-Prozeß steht das Urteil bevor / Nach neuem Brandgutachten gewinnt das Verfahren an Tempo

Der bisher zähe Prozeß gegen die mutmaßlichen Brandstifter von Sachsenhausen geht jetzt überraschend schnell in seine Endphase. Am morgigen Dienstag wird mit dem Abschluß der Beweisaufnahme und für Donnerstag mit den Plädoyers gerechnet. Ob das Urteil ebenfalls noch in dieser Woche gesprochen wird, ist jedoch ungewiß.

Den entscheidenden Fortschritt hat offenbar das am letzten Verhandlungstag hinzugezogene zweite Brandgutachten gebracht. Der Experte Paul Corall hatte eingeschätzt, daß der Brand in der jüdischen Baracke in der KZ-Gedenkstätte durchaus durch Molotowcocktails hätte ausgelöst werden können.

Er widersprach damit einem Gutachterkollegen, der zuvor den Einsatz von Brandsätzen in Sachsenhausen völlig ausgeschlossen hatte, weil weder Flaschen- noch Benzinspuren gefunden worden waren. Aufgrund der inzwischen widerrufenen Geständnisse der beiden Angeklagten geht die Staatsanwaltschaft davon aus, daß vier Molotowcocktails benutzt wurden. Nach diesen Aussagen gibt sich die Staatsanwaltschaft sehr zuversichtlich: „Die Sache ist durch.“

Zuvor bereits hatte sich der Tatverdacht gegen die beiden Rechtsgerichteten Ingo K. (21) und Thomas H. (23) immer weiter verdichtet. Mehrere Zeugen aus der Prenzlauer Szene, zu der beide zählen, haben die Angeklagten schwer belastet. Insbesondere Thomas H. habe im Vorfeld seine Pläne, in „Sachsenhausen einzureiten“, angekündigt und später damit geprahlt. Ein Zellengenosse von Ingo K. berichtete ähnliches. Zudem geht die Staatsanwaltschaft davon aus, daß beide in ihren im April abgelegten Geständnissen eindeutiges Täterwissen offenbarten. Die Behauptung von Thomas H., das Geständnis sei ihm quasi diktiert worden, hat sich beim Abspielen der Tonbandprotokolle vor Gericht nicht bestätigt. Beide Angeklagten haben später ihre Aussagen widerrufen, leugnen seither jede Beteiligung und überraschten an fast jedem Prozeßtag mit neuen Alibis. Die beiden haben mit Höchststrafen bis zu zehn Jahren Haft für Brandstiftung zu rechnen. ADN

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen