: Kein Platz für Ossis und Satire
■ Europaparty: Kritik unerwünscht / Ostfirmen abgedrängt
Genug gegessen: Die Europarty '93 auf Tauentzien und Ku'damm ging gestern zu Ende. Knapp vier Millionen drängelten sich zwischen den rund 500 Händlern durch, wie Sprecher Peer Schmidt- Paulus der taz versicherte. Ausgesprochen olympisch mutete das sechste Straßenfest nicht an, obwohl es als „Boulevard Olympique“ gut einen Monat vor der Entscheidung für Berlin als Austragungsort hatte werben sollen.
„Mit Toleranz können die mir aber nicht mehr kommen“, ärgerte sich gestern ein Händler im Gespräch mit der taz. Zu seinem Sortiment gehören auch Postkarten und T-Shirts mit satirischem Aufdruck, etwa der stirnrunzelnde Bruder des allgegenwärtigen gelben Berliner Werbe-Bärchens. Doch in Olympia ist offenbar kein Platz für Satire: „Zuerst drohten mir Mitarbeiter des Veranstalters, daß die Polizei die Hemden beschlagnahmen werde“, berichtete der Verkäufer von Paloma Cards + Arts, „dann drohten mir die Leute, daß sie mir den Stand ganz schließen werden.“ Also packte er seine T-Shirts weg und beschränkte sich auf den Postkartenverkauf, „dabei habe ich doch extra Ware für hier eingekauft“. Daß der Aufdruck „Sydney 2000 – Berliner für Olympia“ zensiert werde, empfindet der Händler als „kleinlich“.
Ein gerichtliches Nachspiel schließt der Geschäftsmann nicht aus, schließlich habe er Umsatzeinbußen hinnehmen müssen. Über diese klagen auch die Anbieter aus den neuen Bundesländern, die ihre Produkte jenseits der nicht abgesperrten Bayreuther Straße auf dem Weg zur Urania präsentieren. „Wir hätten auf jeden Fall einen höheren Umsatz gehabt“, verwies Manfred Freitag von der Dessauer Brauerei gegenüber der taz auf das deutlich dichtere Gedränge jenseits des Wittenbergplatzes: „Absicht möchte ich nicht unterstellen“, sagte er langsam und nachdenklich, während seine Frau Elvi Freitag deutlicher kritisierte, daß die Ostproduzenten „aufs Abstellgleis abgeschoben“ worden seien. Wie die Verkäuferin von Plauener Spitzen forderten beide, im nächsten Jahr Ost- und Westanbieter zu mischen.
Damit käme zumindest etwas größere Vielfalt in die Europarty, die ihrem internationalen Anspruch deutlich hinterherhinkte: Außer an einigen asiatischen Imbißbuden bekamen die Party-Gäste an den rund 400 gastronomischen Ständen fast nur Produkte westdeutscher Hersteller, zumeist Bier und Würstchen. Immerhin wurde Abfall vermieden: Bier gab's aus Gläsern, das Essen auf Olympia-Werbe-Tellern, von denen rund 15.000 Stück für je drei Mark verkauft wurden. Christian Arns
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