Urteil über „ND“ im September

■ Treuhand fordert vom „Neuen Deutschland“ 15,5 Millionen Mark zurück / Derzeit stärkste Abonnementzeitung im Osten

Das Berliner Landgericht verhandelt seit gestern über die Klage der Treuhandanstalt gegen das frühere SED-Zentralorgan Neues Deutschland (ND) auf Rückzahlung von zwei Millionen DM. Insgesamt beziffert die Treuhand ihren Anspruch auf 15,5 Millionen DM. Die Klage hat sie aber offenbar zur Vermeidung von Prozeßkosten mit zunächst zwei Millionen Mark deutlich niedriger angesetzt. Das Urteil soll am 20. September gefällt werde.

In der gestrigen, rund halbstündigen Verhandlung, warf das Gericht die Frage auf, ob die Treuhand es nicht in der Hand hätte, den Fall selbst zu regeln und eine wirtschaftliche Grundlage für das ND zu schaffen, das nach eigenen Angaben eine Rückzahlung nicht verkraften würde. Es nütze niemandem, wenn am Ende die Pleite stehe. Es sei auch zu fragen, ob von der treuhänderischen Verwaltung richtig Gebrauch gemacht werde. Offen sei, wie die im DDR-Parteiengesetz festgelegte treuhänderische Verwaltung mit der Eigentumsgarantie des Grundgesetzes nach Artikel 14 zu vereinbaren sei.

ND-Rechtsanwalt Alexander Eich wertete den Verlauf der Verhandlung als „Etappensieg“, weil die Grundlage für die Klage der Treuhand verfassungsrechtlich in Zweifel gezogen werde. Das DDR-Parteiengesetz eröffne so gravierende Eingriffsmöglichkeiten, daß de facto Vermögen weggenommen werde. Es müsse auch gefragt werden, ob Teile – wie der ND-Verlag – aus treuhänderischer Verwaltung herausgenommen, jedoch die Immobilien zurückbehalten werden könnten. Damit könne ein Betrieb „de facto kalt liquidiert“ werden.

In dem Verfahren geht es um ursprünglich 31 Millionen DDR- Mark, die die SED/PDS am 7. Juni 1990 über ihre Vermögensholding Zentrag dem ND-Verlag als Investitionshilfe zur Verfügung gestellt hatte. Nach Auffassung der Treuhand durfte sie dies nicht, weil nach dem 1. Juni 1990 das DDR-Parteiengesetz das Vermögen der Parteien und Massenorganisationen ihrer Verwaltung unterstellt habe.

Das ND wiederum argumentiert, das entsprechende Gesetz sei erst am 12. Juni im DDR-Gesetzblatt veröffentlicht worden. Die Millionen-Anweisung vom 7. Juni sei demnach noch vor Inkrafttreten des Gesetzes erfolgt. Nach Angaben des ND-Geschäftsführers Wolfgang Spickermann sei das ND mit täglich rund 83.000 Exemplaren stärkste Zeitung im Osten. 95 Prozent der Leser stammten aus den neuen Bundesländern. dpa/sev