piwik no script img

„Kooperation ist Charakterfrage“

■ Landesbetrieb Krankenhäuser überprüft AK Harburg / Keine Berufsaufsicht über UKE   Von Sannah Koch

Mit einem Bündel von Anordnungen reagierte der Landesbetrieb Krankenhäuser (LBK) gestern auf Pressemeldungen, nach denen das AK Harburg schon ab 1986 von der neuen UKE-Bestrahlungsmethode und ihren fatalen Nachwirkungen gewußt, aber dennoch geschwiegen hat.

Der Wahrheit sollen jetzt die Staatsanwaltschaft und die Ärztekammer, der die Berufsaufsicht über die Hamburger Ärzte obliegt, auf den Grund gehen. Zumindest wies der LBK das Harburger Direktorium an, die Notwendigkeit einer Beteiligung dieser beiden Stellen zu überprüfen. Der Landesbetrieb forderte zudem einen Bericht über die Ergebnisse der Untersuchung und die daraus abgeleiteten Konsequenzen an.

Patientenanwalt Wilhelm Funke hatte am Dienstag an Krankenakten nachgewiesen, daß der heute 65jährige Leiter der Chirurgie des AK Harburg im Dezember 1986 vom UKE detailliert über die neue Strahlentherapie informiert worden war, aber auch nach Auftreten der ersten Strahlenschäden bei Darmkrebspatienten 1987 und 88 weiter Patienten dorthin überwiesen hat. Der Chefchirurg wies diese Vorwürfe jedoch als unwahr zurück: Er habe Hübener die Nebenwirkungen mitgeteilt und keine Patienten mehr zur präoperativen Bestrahlung in die Uniklinik geschickt.

Wie Ärztekammer-Sprecher Dieter Schmidt bestätigte, muß die Kammer nun anhand der Krankenakten untersuchen, ob ärztliches Fehlverhalten von Harburger Medizinern vorgelegen hat und gegebenenfalls ein Verfahren vor dem Berufsgericht einleiten. Schmidt wies auch auf den begrenzten Einfluß der Kammer in Sachen Uniklinik hin: „Das UKE ist die einzige Klinik der Bundesrepublik, bei der die Ärztekammer nicht die Berufsaufsicht über die beamteten Ärzte wahrnehmen darf.“ Die ehemalige Gesundheitsenatorin Maring habe ihnen zwar im Zuge des Bernbeck-Skandals Mitte der 80er Jahre die Aufsicht über die beamteten Ärtze der staatlichen Krankenhäuser übertragen, aber die Wissenschaftsbehörde habe dies für das UKE bislang unterlassen.

Zum Thema Tumornachsorge äußerte sich erneut der Erlangener Strahlenexperte Rolf Sauer, der bereits Hübeners Betrahlungsmethode im Auftrag der Behörde begutachtet hat. Auf Wissenschaftssenator Hajens Nachfrage zu Defiziten in der Krebsnachsorge antwortete Sauer unmißverständlich: „Interdisziplinäre Tumornachsorge existiert dort, wo langjährige Kooperation kollegial und fair erstritten und eingeübt wurde. Zusammenarbeit ist eine Charakterfrage, sie läßt sich nicht institutionalisieren.“

Zwar sei die Nachsorge ein strittiges Problem, doch die Aussage des UKE, „daß es infolge der institutionellen Trennung zwischen stationärer und ambulanter Behandlung (...) nicht möglich gewesen sei, eine umfassende Nachsorge zu gewährleisten“, überzeuge ihn nicht: In Erlangen finde die Nachsorge nach „kollegialen Absprachen“ zwischen vielen Kliniken statt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen