: Ein Mahnmal muß nicht aus Eisen sein
■ Betr.: "Solingens guter Ruf", taz vom 7.8.93
betr.: „Solingens guter Ruf“,
taz vom 7.8.93
Das hatten wir doch schon zu abendlicher Stunde im WDR gehört, was Florian Plödereder (wie konnten Sie nur das beste an ihm, seinen Namen, so verhunzen!) für Sie geschrieben hat.
Ihnen schreibt der vom Autor zitierte „Chef des städtischen Presse- und Informationsamtes“, der sich weniger angesprochen fühlt als der Oberbürgermeister der Stadt, der „das Ende pflichtschuldiger Betroffenheit“ (im WDR hieß es noch Pietät) mit den Worten verkündet haben soll: „Diese Stadt soll wieder strahlen“. In der Tat betroffen ist der OB über diese Art entstellender Darstellung. Das Zitat ist nämlich ein Zitat aus der Sitzung des Ausländerrates NRW, dessen Vorsitzender, der Grieche Dr. Spyros Marionos, dem teilnehmenden OB unter dem Beifall des Hauses mit auf den Weg gegeben hatte: „Diese Stadt soll nicht mehr brennen, diese Stadt soll wieder strahlen.“ Diese Aussage dem OB in den Mund zu legen und in den Zusammenhang mit einer Imagekampagne zu bringen, ist ebenso absurd wie böswillig.
Und es muß schon ein Rad abhaben, wer dann daraus folgert, dies sei das Signal dafür gewesen, den Bagger anrücken zu lassen, um das durch den kriminellen Brandanschlag zerstörte Haus niederzulegen. Dies geschah auf ausdrücklichen Wunsch der Familie Genc, die entschlossen ist, in Solingen zu bleiben und sich ein neues Zuhause zu schaffen. Ich weiß nicht, wer die Idee von einer Mahnstätte transportiert hat, von der „längst nicht mehr die Rede“ ist. Davon war nie die Rede, jedenfalls nicht dort, wo Florian Plödereder sie wohl gerne sehen würde. Übrigens: Ein Mahnmal muß nicht aus Eisen sein, die Mahnung sollte sich eher im Bewußtsein, in den Köpfen der Menschen manifestieren.
Niemand außer dem Autor des taz-Beitrags bringt die „Entsorgung der sichtbaren Spuren“ mit einer Imagekampagne in Verbindung. Es paßt aber wohl zu seinen abstrusen Intentionen, nach Trauerflor-Journalismus inzwischen zum Sack- und Asche-Journalismus überzugehen und selbst das zu verdammen, was damit zu tun hat, den Blick nach vorn zu richten und den Versuch zu machen, die schlimmen Geschehnisse aufzuarbeiten.
Dieser Brief ist [...] lediglich eine Reaktion auf den unmöglichen Stil eines „Kollegen“, dessen Einschätzung von Solingens gutem Ruf nicht die der Mehrheit der journalistischen Kollegenschaft in dieser Stadt ist. Das sollten auch Sie in der weit entfernten taz-Redaktion in Berlin zur Kenntnis nehmen. Hansjörg Laute,
Presse- und Informationsamt
der Stadt Solingen
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