: Weich und schwammig
■ CDU-Kanzlerkandidat Barzel war 1972 Opfer einer Desinformationskampagne
Berlin (taz/AFP) – Neues von der Desinformationsfront: Mit einer gefälschten Taschenbuch-Biographie über den früheren CDU- Kanzlerkandidaten Rainer Barzel wollte der DDR-Auslandsspionagedienst HVA den CDU-Politiker unmittelbar vor der Bundestagswahl im Herbst 1972 in Mißkredit bringen. Mit Barzel war damit ein weiteres prominentes CDU- Mitglied Opfer der „schwarzen Propaganda“, die die Abteilung X der HVA unter der Leitung von Markus Wolf verbreitete.
Ziel der „hervorragend gemachten“ Fälschung war eine „psychologische Demontage“ des Kanzleramtsbewerbers. Das sagte der Berliner Soziologe Wolfang Fischer gestern als Zeuge im Düsseldorfer Prozeß gegen den langjährigen DDR-Spionagechef Wolf. Fischer und der ebenfalls als Zeuge vernommene Politologe Rudolf Horst Brocke räumten auch ein, 50 bis 60 Exemplare des Buches im Auftrag des Spionagedienstes an Adressen „kreuz und quer“ in der Bundesrepublik verteilt zu haben. Empfänger der als Rowohlt-Taschenbuch getarnten Fälschung waren danach „vorwiegend Journalisten“. Fischer betonte, Barzel sei in der falschen Biographie als „etwas schwammige, weiche Persönlichkeit“ dargestellt worden. Das Buch, so der Zeuge, sei auch „elegant geschrieben“ gewesen. Brocke sagte weiter aus, die Stasi habe mit der Fälschung vor der Wahl vermutlich dem damaligen SPD-Kanzler Willy Brandt helfen wollen. Ironie der Geschichte: Willy Brandt stolperte wenig später über die Enttarnung des Kanzleramtsspions Günter Guillaume. Der arbeitete auch für die Stasi.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen