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Pelz außen ist bei Damen wieder in

Artenschützer warnen vor neuen alten Modetrends / Schmuggel mit artgeschützten Tieren größer als je zuvor  ■ Von Heide Platen

Als eines der größten Frankfurter Pelzgeschäfte vor Jahr und Tag seine Pforten schloß, argumentierte es bissig. Die Tierschützer hätten ihnen, meinten die Händler aus der haarigen Branche, gründlich das Geschäft vermiest. Ein anderer warf das Fell mit der Anmerkung, er denke gar nicht daran, den neuen Trend mitzumachen: Pelz im „Materialmix“- Look, also nur noch verschämt als Biese an Kragen und Kapuze oder, noch dezenter, versteckt als Innenfutter. Er sei schließlich Kürschner und kein Schneider. Pelz war out. Megaout sogar, wie Modepapst Karl Lagerfeld anmerkte. Sein vernichtendes Urteil: Pelze riechen muffig. Die betuchten Damen schwenkten reihenweise zum Kaschmir, zu Webpelzen aus Seide um. Sie fanden auf einmal, der Fuchsmantel muffle nicht nur, er mache auch noch dick, und der einst geliebte Nerz wirke sowieso nuttig.

Haben sie nun eigentlich langfristig etwas genutzt, die schaurigen Dokumentarfilme über Füchse auf verkrüppelten Füßen in Drahtrostkäfigen, kreischend neurotische, sich selbst verstümmelnde Nerze und geschundene Chinchillas? Tierschützer und Vorsitzender der Aktionsgemeinschaft Artenschutz (AgA), Günther Peter, bekannt durch seine Recherche zu dem Buch „Pelz macht kalt“, ist von Natur aus pessimistisch. Er sieht ein Rollback, ein Revival der seltsamen Mode, sich als Statussymbol die Häute toter Zuchtiere und artengeschützter Katzen umzuhängen. Während Umweltschützer noch darüber debattierten, daß die teuren Kunstfasern mancher Firmen respektive ihre chemische Gewinnung und die Entsorgung auch nicht gerade umweltfreundlich sind, trägt die Dame von Welt den Pelz längst schon wieder nach außen.

Daß das Washingtoner Artenschutzabkommen (engl. CITES) die darin vorgeschriebenen Herkunftsnachweise und Kontrollen über die weltweite Ausbeutung von Flora und Fauna nicht verhindert, weiß inzwischen auch das hessische Ministerium für Landesentwicklung, das auch für den Naturschutz zuständig ist. Es richtete im Frühjahr eine eigene Artenschutzkontrollgruppe ein. Sie soll die „möglichen Abnehmer eingeschmuggelter Exemplare häufiger und gründlicher“ überprüfen. Schon in den ersten zwei Monaten ihrer Arbeit fand und beschlagnahmte sie 20 lebende Tiere und fast 400 aus geschützten Arten hergestellte Produkte. Im „Europa der offenen Grenzen“, stellte Minister Jörg Jordan im Juni zum „Tag der Umwelt“ fest, habe „der illegale Handel mit geschützten Arten trotz Intensivierung der Kontrollen und hoher Strafen zugenommen“. Der bisher absurdeste Erfolg gelang der neuen Kontrollgruppe im Juni. Bei einem überraschenden Besuch in sieben Tierpräparationsbetrieben in Nord- und Mittelhessen entdeckten sie ausgerechnet in drei Kühltruhen eines Museums im Raum Kassel über 100 besonders geschützte Vögel, ein Viertel davon vom Aussterben bedroht. Und nur eine der sechs privaten Firmen hatte nicht gegen Vorschriften verstoßen. Das Ministerium nannte diese Zustände „erschreckend“.

Daß es nicht nur die Pelze sind, die den illegalen Händlern, den Wilderern vor Ort noch immer die Taschen mit harter Währung füllen, zeigt eine Ausstellung der AgA, die bis Ende September in der Stuttgarter Wilhelma zu sehen ist. Daß sich der wohl schönste deutsche Zoo mit seinen vormals königlichen Gartenanlagen und Gewächshäusern etwas schwer tut, den Kritikern jeglichen Tierhandels die Türen zum Ausstellungsraum im Fuchsienhaus zu öffnen, ist nur zu verständlich. Mit strengem Blick wandert Pressereferent Plasa am Vortag der Eröffnung zwischen den Schaukästen umher, kritisiert hier eine Formulierung auf den Texttafeln, dort einen ganzen Satz. Da sind Mißverständnisse eingeschlossen bei den ArtenschützerInnen, denen die Nerven manchmal auf der Haut zu liegen scheinen. Die genuinen GegnerInnen brauchen ein wenig Zeit, um sich aneinander zu gewöhnen und die Gemeinsamkeiten zu entdecken.

Und die Ausstellung hat es in sich. Gruselig türmen sich in einer hohen Glasvitrine vom Zoll beschlagnahmte Häute, blecken ein ausgestopfter Ozelot und ein Leopardenkopf die Zähne, Kämme aus Schildpatt, geschnitzte Elfenbeinzähne, Elefantenfuß-Hocker, Schlangenlederaccessoires liegen traurig herum, präparierte Raubvögel und Papageien breiten ihre zerrupften Flügel aus. Das Angebot für Großwildjäger wird mit der einschlägigen Werbung dokumentiert. Der garantierte Abschuß eines Büffels und einer Elefantenkuh kostet im Set 4.000 Dollar, mit Leopardenleiche wird es dann mehr als doppelt so teuer. Das Reisegepäck könnte stilecht und Heia Safari im Elefantenlederkoffer transportiert werden. Das Gemetzel an den Dickhäutern und an afrikanischen Nashörnern ist auf Fotowänden zu betrachten. Bis zu 50.000 Mark bietet der internationale Markt derzeit für das Kilo der namensgebenden Kopfzier des Nashorns. Jemenitische Männer tragen es zur Manneszierde als kunstvoll verzierten Dolchgriff, in anderen, vor allem asiatischen Ländern verkonsumieren die Herren der Schöpfung das verklumpt haarige Keratin pulverisiert in der Hoffnung auf anwachsende Manneskraft unter der Gürtellinie. Auf Bali, so erfährt die Besucherin, sterben jährlich 20.000 Meeresschildkröten, deren Panzer dann jene scheußlichen Lampenschirme abgeben, die als Touristenkitsch gehandelt werden. Haifischgebisse, Ketten aus Bruchkorallen, Plünderung der Meere. „Eben!“, sagt Peter, und huscht weiter durch die Ausstellung, richtet hier ein Schild und räumt dort, immer etwas hektisch, immer in Eile, in einer Vitrine herum. Gegen Bali fordert er inzwischen einen Tourismusboykott wegen des Schildkrötenschlachtens. Trotz zahlreicher Proteste in den letzten Jahren habe sich da nichts, aber auch gar nichts an den blutigen Massakern geändert, bei denen die Tiere lebend zerteilt werden: „Wir haben die Schnauze voll.“ In der kenianischen Hafenstadt Mombasa werden, berichtet er, seit neuestem seltene Muscheln und Korallen am Strand von fliegenden Händlern angeboten, ganze marine Naturparks ausgeräubert. Die Regierung sei hilflos dagegen und habe zusätzlich zur Armut im eigenen Land genug mit den Flüchtlingen aus Somalia zu tun.

Der Schutz der Meeresschildkröten ist für den umtriebig weltreisenden Artenschützer ohnehin ein leidiges Kapitel. Der anfangs von der Türkei zugesagte Schutz der öffentlich berühmt gewordenen Caretta Caretta an ihren Brutplätzen am Iztusu-Strand von Dalyan ist, so Peter, weitgehend gescheitert. Bootstouristen und Neugierige stören die Tiere auf und schaden den Gelegen, ohne daß sie Sanktionsmaßnahmen gegen den unsanften Tourismus befürchten müßten.

Die Didaktik der Ausstellung läßt den BetrachterInnen auf engem Raum keinen Ausweg aus der Aneinanderreihung immer neuer Greuel. Sie opponiert gegen den Handel mit seltenen Affen, Tigerjagd, Froschschenkelmenüs, Orchideenexport, gegen Terrarienbesitzer, Papageienhalter, Kakteenplünderer. Die Vernichtung der Natur durch das Schlagen von Edelholz in Regenwäldern, die Anbaumethoden der Tabakindustrie, die Ausplünderung endemischer Tier- und Pflanzengemeinschaften, die kriminellen Machenschaften internationaler Pelzimporteure werden weltumfassend gegeißelt. Wenn Peter dann auf die EG zu sprechen kommt, redet er sich erst richtig in Rage. „Der Trend“, klagt er, gehe dahin, „den Handel wieder zu erleichtern“, Stellen beim Zoll einzusparen statt aufzustocken und Vorschriften wieder zu lockern. Der Staat verdiene eben über die Einfuhrzölle mit. Selbst der hochgelobten Alternative zum Elfenbein, den im sibirischen Eis konservierten Stoßzähnen des Mammuts, traut er nicht mehr. Das lasse sich einfach viel zu leicht fälschen. Die Zähne neuzeitlicher Dickhäuter könnten einen Hauch dunkler eingefärbt werden. Das Schwarzmarkt-Elfenbein sei derzeit wesentlich billiger zu haben als die Überbleibsel der ausgestorbenen Eiszeitriesen. Die Forderung der Artenschützer nach einem generellen Handelsverbot für das weiße Gold stößt allerdings bei vielen afrikanischen Ländern auf Widerspruch. Kenia zum Beispiel, so Peter, sei dafür, während Zaire sich dagegen wehre. Das Land habe noch große Lagerbestände, die es gegen Devisen umsetzen wolle. Anderswo werden die sich wieder vermehrenden Elefanten inzwischen schon als Plage angesehen. Andererseits aber hätten die – wenn auch unzureichenden – Beschränkungen schon eine wesentliche Verbesserung gebracht. Ein Tierschützer berichtete, daß dort, wo früher massenhaft gewildert worden sei, die illegalen Abschüsse auf etwa 20 im Jahr gesunken seien, weil der Preis durch den Wegfall des Massenmarktes pro Kilo Elfenbein drastisch von 40 auf zehn Dollar gesunken sei.

Anschließend rechtet Peter auch mit der deutschen Justiz. Die Strafen seien meist zu niedrig, von den Händlern fast aus der Portokasse zu bezahlen. Richter und Zollbeamte seien oft sehr schlecht ausgebildet: „Deutschland ist führend im Endverbrauch, aber nicht im Schutz.“ Hessen, in dem er von Sozialministerin Iris Blaul für seinen „beispielhaften ehrenamtlichen Einsatz für die bedrohte Tierwelt“ den „Goldenen Löwen“ überreicht bekam, habe dafür, daß es durch den Rhein-Main-Flughafen Standort von rund 10.000 Importfirmen sei, immer noch viel zu wenig Kontrollbeamte im Einsatz. Das gelte auch für den Zoohandel und dafür, daß Auffangstationen für beschlagnahmte lebende Tiere fehlen. Die verschwinden, weil die Zoos keinen Platz mehr für sie haben, oft über kurz oder lang bei Händlern. Im badischen Bretten kamen so 700 Vögel abhanden. Die Spuren eines schwarzen Panthers, den ein Privatmann „aus Mitleid“ in einem Tiergeschäft erstand, verlieren sich völlig im dunkeln. – Peter wehrt sich dagegen, von seinen Kritikern ein „Prozeßhansel“ genannt zu werden: „Wir zeigen alle uns bekannt gewordenen Verstöße gegen das Washingtoner Artenschutzabkommen an.“ Denn: „Die Plünderer sollen ruhig Angst bekommen.“ Ein erstes hartes Urteil gegen einen Papageienhändler in Hessen gibt ihm recht. Andererseits kämpft die AgA immer wieder gegen von der Branche gegen sie eingereichte Verleumdungsklagen.

Auch Constanze Rauert vom hessischen Ministerium für Landesentwicklung setzt auf Abschreckung und harte Strafen: „Bedauerlicherweise scheint das nicht anders zu gehen.“ Die Artenschutzkontrollgruppe habe sich bewährt, zumal die Schmuggelei, vor allem „aus dem Osten“, erheblich zugenommen habe. Die Gruppe sei „in kürzeren Abständen“ und mit den verschiedensten Schwerpunkten „vor Ort“, prüfe Lagerbestände und Buchhaltung. In Frankfurt waren sechs von 18 kontrollierten Firmen schwarze Schafe. Bei ihnen wurden fast 400 Mäntel, Jacken und Felle einkassiert, davon 25 von völlig verbotenen Fleckkatzen. Die Handelsware, argumentierten ihre Besitzer, sei noch vor Verschärfung der Bestimmungen eingekauft worden. Das Ministerium entsorgte die Altlasten durch Beschlagnahme. Die „toten Zeugen“ werden jetzt als Beweismittel eingelagert. Weitere Schwerpunkte der letzten Monate waren außer den Präparatoren jene Händler und Boutiquen, die teure Lederwaren anbieten. Auch da fand sich manche Brieftasche, mancher Koffer vom Feinsten.

Die Täter müssen mittlerweile mit Bußgeldern bis zu 100.000 Mark und bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe rechnen. „Aber“, so Rauert, „lieber wäre es uns, wenn sich rumspricht, daß da ein paar Leute unterwegs sind und solche Ferkeleinen erst gar nicht mehr passieren.“ Sie wundert sich immer wieder über die Naivität deutscher Touristen, die in ihren Urlaubsländern solche Waren kaufen, weil „die Tiere ja sowieso schon tot sind“, und sich dann ärgern, wenn sie in Deutschland dafür bestraft werden.

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