Portugal macht dicht

■ Absolute Mehrheit im Parlament verabschiedet restriktives neues Asylgesetz

Lissabon/Berlin (taz/dpa) – Flüchtlinge hat Portugal zwar kaum, dafür jetzt aber ein höchst restriktives Asylgesetz, das den Vergleich mit anderen westeuropäischen Ländern nicht scheuen muß. Das Gesetz wurde – nach monatelangem politischen Streit in Lissabon – am Dienstag abend von der absoluten Mehrheit im Parlament verabschiedet. Es schränkt das politische Asyl ein sowie die Einreise von Nicht-EG-Bürgern und die Aufenthalterlaubnis von BürgerInnen aus Ländern der Dritten Welt. Unter anderem erlaubt es Ausweisungen ohne Anrufung der Gerichte.

Das Anerkennungsverfahren für Flüchtlinge verkürzt sich auf drei Monate. Die Entscheidungskompetenz über Anerkennung oder Ablehnung liegt künftig ausschließlich beim Innenministerium. Vor das Asylverfahren soll ein Zulassungsverfahren geschaltet sein, in dem geprüft wird, ob der Asylantrag überhaupt behandelt werden muß. In der Wartezeit sollen Flüchtlinge nicht mehr vom portugiesischen Staat, sondern vom Flüchtlingshochkommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) unterhalten werden. Der UNHCR-Vertreter hat sich gegen die Einführung dieses in Westeuropa bislang einmaligen Verfahrens protestiert.

Wie erwartet, stimmten die sozialdemokratische Regierungspartei von Ministerpräsident Anibal Cavaco Silva, die über die absolute Mehrheit im Parlament verfügt, sowie die rechte Oppositionspartei CDS und die kleinere Partei der Nationalen Solidarität, in der die Rentner organisiert sind, für das Gesetz.

Der sozialistische Staatschef Mario Soares hatte Anfang August sein Veto gegen das Gesetz eingelegt und das Parlament aus der Sommerpause zu einer Sondersitzung zurückgeholt. Doch mit seinen humanistischen Einwänden konnte sich Soares nicht durchsetzen. Er hatte betont, er wolle sein Land vor den „chauvinistischen und ausländerfeindlichen Tendenzen, die in anderen europäischen Staaten herrschen“, schonen. Auch die katholische Kirche hat das Gesetz wegen der damit verbundenen Rechtsunsicherheit für Flüchtlinge scharf kritisiert.

Die Regierung begründete ihr neues Gesetz mit den langen Küsten des Landes und mit der restriktiven Asylpolitik der großen Nachbarstaaten. Eine Anpassung an deren Gesetze sei im Rahmen des Schengener Abkommens nötig gewesen. Portugal hatte das Abkommen über eine intensive Polizeizusammenarbeit in Europa im Jahr 1991 unterzeichnet.

Der „Schengen-Effekt“, der schon in anderen westeuropäischen Ländern dazu führte, daß notfalls die Verfassung geändert wurde, um ein restriktiveres Asylrecht durchzusetzen, hat jetzt auch in Portugal zugeschlagen.

Portugal hat nach 1974 über eine Million Einwanderer aus seinen Afrika- und Asien-Kolonien aufgenommen, die in die Unabhängigkeit entlassen wurden. Mit Asylbewerbern hat das 10-Millionen-Einwohner Land jedoch bislang nicht viel zu tun. In der ersten Hälfte dieses Jahres kamen nur 1.200 Flüchtlinge in Portugal an. Jetzt kann nur noch das Verfassungsgericht ein Inkrafttreten des neuen Asylgesetzes verhindern. Ob der sozialistische Staatspräsident Mario Soares die Richter um Hilfe rufen wird, war gestern noch offen. dora