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Museales Fahnenschwingen

„Tanzende Bilder“: Das Haus der Kulturen zeigt Fahnen der Fante Asafo in Ghana  ■ Von Dominic Johnson

Die Baumwolle leuchtet, die Krieger tanzen. Farbe und Bewegung füllen die dunklen Ausstellungsräume im „Haus der Kulturen der Welt“: Kriegerfahnen hängen an den Wänden, merkwürdig leblos, ihrer Funktion beraubt. Als Kunstwerke solle man sie betrachten, gibt der Katalog Auskunft und erklärt die dargestellten Motive mit traditionellen Sprichwörtern, spekuliert über die einzelnen Flaggenhersteller, Entstehungsdaten und was es an wissenschaftlich auswertbaren Merkmalen mehr gibt. Doch die Bilder selbst leben, sie verbannen die Starrheit ihrer Präsentation. „Eine Kuh kann man nur an einen festen Stamm binden“, doziert der Museumshinweis neben einer Fahne, die eine an einen Baumstamm festgebundene Kuh zeigt; es ist aber keine pastorale Idylle, sondern ein lebendiges Motiv voller Verfremdungen: Die Kuh ist größer als der Baum, steht viel höher und hat lange, kämpferische Hörner.

Zweifelhaftere Begebenheiten illustriert der Spruch „Willst du deinen Einlauf vor dem Essen bekommen, oder willst du zuerst essen?“, was laut Katalog mit Kriegsvorbereitungen und Spott über Drückeberger zu tun hat. Das Tuch selber zeigt einen Weißen, der einem Schwarzen eine gigantische ovale Vorrichtung in den Hintern schiebt, während ein Brauner einen noch größeren Eimer darunter hält; ein anderer, besser gekleideter Brauner mit Hut sitzt auf einem Stuhl und schaut genüßlich zu.

Jede Person auf diesen Bildern wedelt aus irgendeinem Grund mit den Armen, oft bei einer Dummheit, oft in Selbstdarstellung. Grelles Rot, leuchtendes Orange, satte Blau- und Violett-Töne; springende Böcke, umhereilende Soldaten – Farbe und Bewegung, die beiden Grundthemen, deuten auf Herausforderung, auf Stolz (über sich selber) und Spott (über die anderen). Diese Fahnen sind keine Kunstwerke, wie wir sie aus Museen erwarten.

Was sind sie? „Tanzende Bilder“, heißt die Ausstellung, im Untertitel: „Fahnen der Fante Asafo in Ghana“. Die Fante sind ein ghanaisches Küstenvolk, seit über 500 Jahren im beständigen Kontakt mit Europäern – Portugiesen zuerst, dann Holländer und Engländer. Nie zum Zentralstaat verwachsen, immer zum Handeln bereit, gehörten die Fante zu den enthusiastischsten Sklavenhändlern Westafrikas; mit Vorliebe verkauften sie Angehörige ihrer weiter landeinwärts lebenden Nachbarvölker an die weißen Segler, von denen sie dann schöne Dinge bekamen. Später, im 19. Jahrhundert, waren sie der Puffer zwischen den Briten, die aus der „Goldküste“ eine Kronkolonie machen wollten, und dem mächtigen Asante-Königreich im Binnenland. Von beiden erhielten sie gegen den jeweils anderen Schutz. Ihre Selbstverteidigung bewahrten sie durch eigene Soldatenkompanien, „Asafo“ genannt, eigentlich Geheimbünde mit Initiation und verschlossenen Riten – und eben mit Prozessionen, auf denen die Fahnen vorgeführt wurden.

Die Fahnentradition, dokumentiert seit 1676, ist eng mit den außerafrikanischen Begegnungen verbunden: Alle Flaggen ähneln den ensigns europäischer Kriegsmarinen, die Nationalflagge der jeweils herrschenden Macht – Holland, dann Großbritannien, später das unabhängige Ghana – steht immer oben links. So erfuhr das Fahnenschwingen seine rechte Blüte in der britischen Kolonialzeit ab 1874, unter britischer Oberaufsicht und mit entsprechenden Loyalitätsbeweisen. Eine der ausgestellten Flaggen zeigt ein Flugzeug der Royal Air Force im Begriff, einen Gegner der Nazi-Luftwaffe (mit Hakenkreuzen) abzuschießen.

„Kriegsmenschen“ sei die wörtliche Übersetzung des Fante-Wortes Asafo, weiß der Katalog, und das Asafo-Wesen paßte sich hervorragend den englischen Vorstellungen körperlicher und geistiger Ertüchtigung an, irgendwo zwischen Pfadfindern und Pomp. Auch hinter Berliner Mauern zeigen die Fahnen ihren Zweck: nämlich auf prächtigen Prozessionen vorneweggeführt zu werden und die Soldatenkompanie dahinter zu verherrlichen. Ist das, was wir da im „Haus der Kulturen der Welt“ zu sehen bekommen, also eine Verballhornung britischen Gentleman-Kriegssports? Bezeichnend ist, daß Afrikaner die Asafo-Kompanien hauptsächlich utilitaristisch sehen, also die Nützlichkeit des Phänomens und seine mögliche Verwendbarkeit für profanere Zwecke ergründen. Schließlich ist es eine kostspielige Angelegenheit in einem armen Land: Fotos aus den 70er Jahren zeigen halbnackte Kinder mit aufgedunsenen Bäuchen neben prächtigen Asafo-Schreinen und leuchtenden Flaggen auf Wäscheleinen. Der ghanaische Historiker J.E.K. Aggrey schreibt: „Asafo könnte jedoch leicht für den Fortschritt nutzbar gemacht werden, wenn man etwa bei Festivals die vielen Anwesenden aufforderte, bei bestimmten Projekten mitzuhelfen, anstatt einfach Geld für die Unterhaltung von ihnen zu fordern.“

Ein Nigerianer verweist im Besucherbuch der Ausstellung auf die Möglichkeit, durch die Fahnen die eigene Geschichte besser zu verstehen. Wie weltfremd dagegen die deutschen Besucher, die sich mehr als einmal über die angeblich willkürliche kriegerische Interpretation dieser Fahnen erregen und dies, was sonst, als „Eurozentrismus“ auslegen.

„Tanzende Bilder“: Bis zum 24.10. Di.–Do., 14–18 Uhr, Fr.–So. 10–20 Uhr im HdKdW.

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