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Minister for Good Vibrations

■ Ein Reggae-Wanderprediger in Bremen: Hylton Brown, Sänger, Dichter, Liebender

Grausliger läßt sich der deutsche Herbst wohl nicht vorstellen. Vom Winde zerzaust, mit triefender Nase und aufgeweichten Fußes auf dem harten Pflaster der Bauernstraße. Aber hinter dem Schaufenster von „Culture International“ leuchtet es warm, in rot, grün und gelb: die Farben der jamaikanischen Rasta-Kultur, als deren Bremer Botschafter sich Hylton Brown hier niedergelassen hat. Brown ist Reggaemusiker, Tänzer, Poet und Promoter der heimischen Reggae-Szene — vor allem aber Prediger für die kleine Schar der Gläubigen.

Und die kommen immer wieder in Browns bescheidene Residenz in der Bauernstraße. Zwar gibt es hier auch Platten zu kaufen, notfalls zu bestellen; in Form kleiner Klappaltäre sind die Werke von Halbgott Marley und seinen Jüngern aufgebaut. Vor allem aber wird das Gespräch gesucht, das persönliche Wort von Meister Brown. Dabei ist seine Botschaft von erstaunlicher Schlichtheit: „Love Is All The World Need Today“, wie es in einem Songtitel heißt.

Das klingt erstmal nicht rasend neu; aber die Welt braucht eben Liebe, und zwar immer dringlicher, wie Brown erklärt — und darum findet er immer wieder neue Variationen für dieses sein Motto und Grundmotiv. „There is so much work to be done to show the world how to live in love...“.

Seit Brown 1985 aus St. James/ Jamaica nach Bremen übersiedelte, ist er mit seinen löblichen Ansichten nicht nur auf Gegenliebe gestoßen. Das Potential der Bremer an schlechten Vibrations bekam er zu spüren, als er 1989 in der Bauernstraße einen multikulturellen Treffpunkt einrichten wollte. Künstler, Musiker, Kreative aus allen Ländern und Lebenslagen sollten hier ein Plätzchen für den Gedankenaustausch finden — „um ihre Ideen ausztutauschen, ihre Kulturen auszutauschen“. Sowas aber hätten einige Nachbarn nicht gern gesehen, berichtet Browns Partnerin Anne Tuchscherer. Brown mußte seine Idee vom Idyll im Viertel sogar vor Gericht verteidigen — vergeblich.

So besingt er inwzischen nicht mehr nur Glaube, Liebe und Hoffnung im Allgemeinen, sondern auch den trostlosen „German Jungle“, durch den er im meditativen Reggae-Rhythmus trottet. „Culture International“ ist inzwischen ein e.V. geworden. Aber weiter ohne Aussicht auf einen festen Ort für den Austausch von positive vibes. Und der kleine Laden in der Bauernstraße dient so inzwischen als meditatives und organisatorisches Zentrum des Unternehmens. Von hier aus plant Brown, gemeinsam mit seiner Partnerin die nächsten Auftritte und Sendungen. Hier sind seine Gedichtbände und Bilder in Kopie erhältlich. Hier hat er ein offenes Ohr für die Bedürftigen. Und rät ihnen, in sich tief hineinzuhorchen: „Ich suche nach dem Inneren der Menschen, bringe es nach außen; ich sage den jungen Künstlern, woran sie noch üben müssen, was sie ausarbeiten sollen und daß sie dann wieder zu mir zurückkommen sollen.“ Um schließlich die unguten Gefühle immer wieder in positive vibrations umzuwandeln.

Überhaupt möchte Hylton Brown, der sich vom Tänzer zum Raggaesänger, -komponisten und -promoter aufschwang, einem Jeden die größtmögliche Förderung angedeihen lassen. Er will die Leute zusammenbringen, will Blues, Soul und Reggae in seinen Konzerten verschmelzen, will ihnen von seinem lebenslangen Liebestraum erzählen. Und auch, wenn's immer schwerer wird für Prediger wie Hylton: Die Leute kommen, um zuzuhören; auch in der grauen Bauernstraße. tom

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