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Dienstags habe ich auch ein Notenheft

■ Von Marleen bis McCartney: Geistig Behinderte lernen an der Bremer Musikschule, wie man Herzen ergreift

Die drei Gitarren liegen ausgepackt auf dem kalten Linoleumboden. Mirko schiebt seinen Akkordeonwagen ins Zimmer, Heiner überlegt noch, ob er die Fußbank nun zum rechten oder linken Fuß stellen soll. Hartwig schlägt die ersten Akkorde an, und schon singen und brummeln sie gemeinsam mit Frau Schimikowski das erste Lied ihrer Wunschliste: Lisa von Paul McCartney.

Frau Schimikowski dirigiert. Sie ist die Lehrerin der drei, die sich einmal in der Woche an der Bremer Musikschule zum Spielkreis treffen. Ob sie geübt haben ist unwichtig, denn die drei bestimmen sowieso das Programm. Hartwig Braun, Heiner Jaene und Mirko Mucha sind geistig behindert.

„Das Schwierige am Gitarrespielen ist das Halten der linken Hand“, sagt Heiner, und Hartwig nickt. Die beiden musizieren schon seit zwölf Jahren und wie Mirko gehen sie außerdem in den Einzelunterricht. „Das ist dienstags, da habe ich auch ein Notenheft“, sagt Heiner.

Vor elf Jahren hatte die Musikpädagogin Petra Schimikowski das erste Unterrichtsangebot für behinderte Kinder an der

Hartwig Braun an der GitarreFoto: Christoph Holzapfel

Bremer Musikschule angeleiert. Gemeinsam mit einigen LehrerInnen der Sonderschule Am Wandrahm versuchte sie, Kinder und Eltern für die Idee zu begeistern. Bundesweit machen die behinderten SchülerInnen an den Musikschulen etwa fünf

hierhin bitte

den Gitarristen

Prozent aus — in Bremen sind es sechs Jugendliche von insgesamt rund 2.600. Die drei vom Spielkreis sind alle inzwischen über 20 Jahre alt. Sie arbeiten am Martinshof.

Heiner erzählt, daß er mit dem Fahrrad auf der Straße aufgehal

ten wurde. Die anderen fallen ein; schon tratschen sie gemütlich vor sich hin. „Das war nicht von Anfang an so“, meint Petra Schimikowski. „Mit Tobias, dem vierten der Gruppe, der zur Zeit zur Kur ist, habe ich zwei Jahre nicht gesprochen. Und ihn trotzdem unterrichtet.“ Sie arbeitet viel mit Orff-Instrumenten, vor allem mit den großen Klangblöcken, „weil die so angenehm tief klingen und eine warme Atmosphäre schaffen“.

Wir klappern weiter die Wunschliste ab. Mirko entscheidet sich für die Lili Marleen. Er spielt seit einem Jahr Akkordeon und sagt: „Ich kann mir ein Leben ohne Akkordeon gar nicht mehr vorstellen.“ Vorher versuchte er sich auf der Flöte und der Heimorgel. Seine Beweglichkeit zwingt auch Petra Schimikowski an neue Instrumente, denn bis auf wenige Ausnahmen war es ihr bislang nicht möglich gewesen, andere MusikschullehrerInnen für den Behindertenunterricht zu gewinnen. Drei bis vier Kinder bleiben jährlich auf der Warteliste hängen. „Vor allem für die Früherziehung wäre große Nachfrage da“, so die Pädagogin.

Die Spezialität des Spielkreises ist ein Potpourri, das irgendwann einmal entstanden ist, als Heiner beim Melodiespiel von einem Lied ins andere gesprungen ist. Heute lassen sie bei Konzertabenden das Publikum raten, was grad dran ist. Silvia Plahl

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