piwik no script img

Elfte Nahostrunde: Geheimgespräche nonstop

■ Israelische Regierung und PLO verhandeln über gegenseitige Anerkennung / Arafat stürzt die palästinensische Delegation in Washington in eine Existenzkrise

Tel Aviv (taz) – Während sich in Washington im Rahmen der elften Nahost-Friedensgespräche Delegationen Israels, Syriens, Libanons, Jordaniens und der Palästinenser gegenübersitzen, werden die wirklich wichtigen Gespräche irgendwo in Europa geführt. Die israelische Regierung und die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) verhandeln auf höchster Ebene über ihre gegenseitige Anerkennung. PLO-Funktionäre hatten in den letzten Tagen behauptet, es sei nur noch eine Frage weniger Stunden, bis der historische Schritt vollzogen würde. Die israelische Regierung bestand aber auf einer Neuformulierung des schon in den letzten Monaten in Geheimgesprächen in Oslo ausgehandelten Abkommens. Diese wurde gestern in der PLO-Zentrale diskutiert.

Die PLO müßte zur Anerkennung des Staates Israel ihre Charta ändern, was eigentlich nur durch den „Palästinensischen Nationalrat“ geschehen kann. Zwei Drittel der insgesamt 480 Mitglieder dieses palästinensischen „Parlaments“ müßten für eine Änderung stimmen. Da eine solche Mehrheit höchst fraglich ist, scheinen sich die israelische Regierung und PLO- Chef Arafat auf eine informellere Lösung geeinigt zu haben. Falls die PLO-Führung die israelischen Änderungswünsche akzeptiert, sollen der israelische Außenminister Shimon Peres und der bei der PLO als „palästinensischer Außenminister“ gehandelte Faruq Qaddumi nach Washington reisen und dort die gegenseitige Anerkennung und die Abkommen über eine Teilautonomie im Gaza-Streifen und in Jericho unterschreiben.

Falls es zu keiner Einigung über die gegenseitige Anerkennung kommt, sollen die regulären Delegationen Israels und der Palästinenser in Washington nur das zwischen der israelischen Regierung der der PLO ausgehandelte „Grundsatzabkommen“ unterschreiben, das die Teilautonomie vorsieht.

In der palästinensischen Verhandlungsdelegation machen sich unterdessen Ärger und Zweifel am Sinn der eigenen Tätigkeit breit. Delegationsleiter Haidar Abdel Schafi erklärte, daß es nicht in seiner Kompetenz läge, das anderswo und hinter dem Rücken seiner Delegation erzielte Abkommen zu unterschreiben. Er müsse den Inhalt erst noch studieren und würde dann seine Meinung „als Palästinenser“ bekanntgeben. Die anderen arabischen Delegationen beschwerten sich am Mittwoch abend bei den Palästinensern über den Alleingang der PLO.

Nach israelischen Angaben sollen sich Israel und Jordanien ebenfalls in geheimen Unterredungen auf einen gemeinsamen Friedensplan geeinigt haben. Der jordanische König Hussein forderte eine Sondersitzung der Arabischen Liga. Die PLO-Führung behauptet unterdessen, auch Vertreter Syriens und Libanons führten Geheimverhandlungen mit der israelischen Regierung. Die Gespräche, die von allen angeblich beteiligten Seiten bestritten werden, sollen in Spanien stattfinden. In den besetzten Gebieten und dem annektierten Ost-Jerusalem sollen laut einer Umfrage der palästinensischen Zeitung An-Nahar 52,8 Prozent der Bevölkerung die „Gaza und Jericho zuerst“-Variante begrüßen. 41,3 Prozent der insgesamt 750 befragten Palästinenser waren gegen das Abkommen. Im Gaza- Streifen unterstützen demnach 70 Prozent der Palästinenser das Projekt, in Jericho sogar 75 Prozent. In den anderen Gebieten der Westbank befürworten 46,5 Prozent die Teilautonomie, fast ebenso viele Palästinenser lehnen sie ab.

Einer neuen Sprachregelung des israelischen Außenministeriums für eigene Diplomaten sind erstmals israelische Pläne für eine langfristige Zukunft zu entnehmen. Demnach sollen ab 1999 die bis dahin in Teilautonomie entlassenen palästinensischen Gebiete eine Föderation mit Jordanien eingehen. Die Errichtung eines selbständigen palästinensischen Staates hält der israelische Außenminister Peres dagegen für ein „Verbrechen“. Amos Wollin

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen