: Die Bremer Abzocker
■ Die Deutsche Volksunion, die Arbeit und das Geld: eine kleine Bilanz aus der Bremischen Bürgerschaft Von Jochen Grabler
Was waren das für Sprüche im Wahlkampf: Gegen die „etablierten Politbonzen“ wollten sie zu Felde ziehen, die sich nur die Taschen vollmachen. Und die Sprüche haben gezogen. Mit sechs Abgeordneten und gut sechs Prozent Stimmenanteil zog die Deutsche Volksunion (DVU) im September 1991 in die Bremische Bürgerschaft ein. Danach stellte sich vor allem eines heraus: Wie keine andere Partei vor ihr bediente sich die DVU schamlos überall dort, wo Steuergelder zu holen waren, und die Skandale nahmen kein Ende.
Der rassistische Inhalt der DVU-Rattenfänger-Reden war bekannt; wie sich diese Partei, die sich im Wahlkampf gerne als Anwalt des kleinen Mannes ausgibt, im parlamentarischen Alltag verhält, das hatte sich vor der letzten Bürgerschaftswahl in Bremen noch nicht so richtig herumgesprochen.
Fast von Anfang an ein immer wiederkehrendes Muster: So wenig arbeiten, aber soviel Geld in die eigenen Taschen scheffeln wie irgend möglich. Dort, wo die eigentliche Parlamentsarbeit stattfindet, in den Ausschüssen und Deputationen, wurden die Mitglieder der DVU nur höchst selten gesichtet. Die meisten Abgeordneten erreichen bestenfalls eine Anwesenheitsquote von gut einem Viertel aller Sitzungen. Dort, wo die Bürgerschaftsfraktionen sachkundige Bürger in die Parlamentsgremien schicken können, glänzten die DVU-Vertreter bei der Hälfte aller Termine mit Abwesenheit. Und wenn sie da waren, schwiegen sie in der Regel, brachten weder Vorschläge noch eigene Anträge ein. Aber Sitzungsgelder, die wurden fleißig kassiert samt Aufwandsentschädigungen – die werden nämlich unabhängig von der geleisteten Arbeit gezahlt.
„Das hätten die Etablierten gerne, daß wir hinter den verschlossenen Türen Politik machen“, hatte der DVU-Abgeordnete Hans-Otto Weidenbach in einer Fernsehdiskussion verkündet. Und die Fraktion hatte sich dran gehalten. Mehr als Fensterreden im Parlament hatten die Abgeordneten nicht zu bieten. Die DVU – eine „Briefkastenfirma“, befand die bürgerliche Nordsee-Zeitung.
Die DVU-Abgeordneten trieben ihre Art der Arbeitsverweigerung munter weiter. Lange Zeit befanden sie es nicht für nötig, ein Fraktionsbüro zu eröffnen. „Der Arbeitsaufwand sei nicht so hoch“, hatte die Fraktionsvorsitzende Marion Blohm zur Begründung in einer Fraktionssitzung der DVU gesagt. Erst als die Bürgerschaftsverwaltung unter anderem mit dieser Begründung die Zahlung der Fraktionszuschüsse stoppte, machte die DVU schließlich ein Büro in Bremerhaven auf.
Das fehlende Büro war nicht der einzige Grund, weshalb der Bürgerschaftsdirektor den Geldhahn zudrehte. Auch unzulässige Anzeigen in den Blättern des DVU-Bundesvorsitzenden Gerhard Frey, ausgerechnet zum Wahlkampf in Schleswig-Holstein geschaltet, führten zum Ausbleiben der Staatsknete. Diese Anzeigen sind, da mit Bremer Steuergroschen finanziert, in Wahlzeiten und überregional nicht erlaubt; die DVU-Fraktion bekam erst wieder Geld, als Frey die Anzeigenkosten zurücküberwiesen hatte.
Was mit dem nun wieder in die DVU-Kasse gestopften Fraktionsgeld geschieht, bleibt zum großen Teil unklar. Die DVU weigert sich beharrlich, dem Bremer Rechnungshof einen Einblick in ihre Akten zu gewähren. Der hatte alle anderen Fraktionen überprüft und wollte jetzt auch einmal bei den selbsternannten Saubermännern der DVU nachsehen, was mit den Steuergeldern geworden ist, die die DVU im vorigen Jahr bekommen hat: Monat für Monat immerhin rund 45.000 Mark.
Eine Verwendungsform für die geliebten Steuergroschen kam allerdings trotz der Verdunkelungsversuche ans Licht. In bester Räubermanier wurden ein Teil des Geldes unter den ABgeordneten aufgeteilt. Am 30. Januar 1992 hatte die Fraktion der DVU in einer Sitzung unter ein und demselben Tagesordnungspunkt beschlossen: Erstens wird kein Büro eröffnet, zweitens soll jeder Abgeordnete stattdessen bis zu 1.500 Mark für seine Arbeit aus der Fraktionskasse bekommen. Schon das war möglicherweise außerhalb der Legalität. Der Bürgerschaftspräsident läßt jetzt prüfen, ob dieses Verfahren legal war oder nicht.
Drittens aber zahlten sich die DVU-Abgeordneten aus der Fraktionskasse einen monatlichen „Sicherheitszuschlag“ von pauschal 20 Prozent der Diäten aus. So bekam jeder Abgeordnete monatlich eine kleine Gehaltsaufbesserung von 807 Mark und 40 Pfennigen. 11 Monate lang, so lange die Fraktion genügend Geld hatte.
Erst als der Abgeordnete Peter Nennstiel die Fraktion verließ, sich dem zweiten DVU-Dissidenten Hans Altermann anschloß und die Gelder knapper wurden, wurde vermutlich auch dieser Zuschuß eingestellt. Der Bürgerschaftspräsident hatte die DVU aufgefordert, zu den Vorwürfen wenigstens Stellung zu nehmen. Bislang aber mit demselben Erfolg wie sein Kollege vom Rechnungshof: Er hat keine Antwort erhalten.
Die Bremer DVU-Skandalchronik endet vorläufig allerdings an einem Punkt, der ausnahmsweise mal nichts mit der Parteienfinanzierung zu tun hat: Schon im Januar waren Zweifel darüber aufgetaucht, ob Fraktionschefin Marion Blohm zu Recht in der Bürgerschaft sitzt, da sie drei Monate vor der Wahl nicht – wie vorgeschrieben – im Land Bremen, sondern in Niedersachsen gewohnt hat. Am 19. Juli hat das Wahlprüfungsgericht getagt und Zeugen angehört. Und es hat entschieden, daß Marion Blohm in der Tat ihr Bürgerschaftsmandat zurückgeben muß.
Bis zum Herbst ist Marion Blohm nun Abgeordnete auf Abruf. Dann nämlich wird die zweite und letzte Instanz über den Fall beraten.
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