: Frau unterm Glashimmel
■ Tanzperformance zu hebräischen Bibeltexten: „Washti.Ester“
Blau. Blauer Himmel mit hellen Sternen. Oder Wölkchen? Und eine güldene Sonne. Es hat etwas Entrückendes, dieses blau- weiße Glasgewölbe. Und es hat auch etwas Erhebendes, die Stufen zum „Himmelssaal“ im Haus Atlantis emporzusteigen. Barfuß tanzt die Frau in Schwarz auf dem blanken Holzparkett. Windet sich in langen, glänzenden Tüchern. Rot, rosa, weiß, gold. Furchtsam, staunend und träumerisch bewegt sie sich zu mystischen Klängen, die mit einem Klavier zu tun haben könnten. Plötzlich wird sie wild — der König hat Ester freigegeben, für ihr Leben zu kämpfen.
Ester ist Jüdin. Die Tänzerin Heide Marie Voigt erzählt die Geschichte von Washti und Ester, zwei Frauengestalten aus der hebräischen Bibel. Beide sind Frauen, die sich ihrer herkömmlichen Rolle im Patriarchat widersetzen und über die ihnen gesetzten Grenzen hinausgehen. Washti weigert sich, die Frau des Königs Achaswerosh zu werden, und wird ins Nichts geschickt. Ihre Nachfolgerin Ester schafft es, das jüdische Volk aus der totalen Unterwerfung zu befreien.
Heide Marie Voigt sucht in ihrem Tanz die Energie dieser beiden Frauen. „Für mich sind das Heldinnen“, sagt sie. „Frauen, die sich — auch sexuell — freikämpfen.“
Heide Marie Voigt ist eigentlich eine Bremer Lehrerin. Sie hat vor neun Jahren begonnen, sich tänzerisch ausbilden zu lassen. Zuerst bei Catherine Naivin, dann bei Jürgen Müller-Othzen, Sygmunt Molik und anderen. Ihr erstes Tanz- Theater-Solo Fundevogel von 1991 führte sie in Bremen und Dresden auf. Auf die Idee zu Washti.Ester kam sie über Brigitte Fuhrmann, die sich in Kursen mit biblischen Frauengestalten beschäftigt. Brigitte Fuhrmanns Ehemann Wilhelm, ein pensionierter Pastor, wird Heide Marie Voigts Tanzperformance mit selbst übersetzten und sprachlich ausgestalteten Bibelpassagen begleiten.
Ester schwenkt den gebrochenen Spiegel in ihrer linken Hand. Das Steinblau des Himmels und die Sonne sind darauf zu sehen, und dieses Flötenrauschen dazu lassen aufs Neue abgleiten. Töne, zu denen Heide Marie Voigt ihre Szenen parallel entwickelt hat: experimentelle Kammermusik der Bremer Komponistin Siegrid Ernst. Das eine Mal bespielt oder beklopft diese gemeinsam mit ihrem Sohn ein Piano und dessen Innenraum. Das andere Mal kombiniert sie Geräuscheffekte auf der Blockflöte mit melodischem Schlagzeug. Siegrid Ernsts Musik ist bildreich, kraftvoll wie Washti und Ester und strotzt vor Emotionstaumel. Wie die Frau im schwarzen Kleid. Silvia Plahl
Premiere von „Washti.Ester“ ist am Sonntag, 5.9. um 11.30 Uhr im Himmelssaal/Haus Atlantis in der Böttcherstraße. Weitere Aufführungen am 17. und 18.9. jeweils 20 Uhr plus fünf Oktobertermine.
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