Töchter der Opfer, Töchter der Täter

■ Zum Besuch des japanischen Kaisers in Berlin wird eine internationale Konferenz eine Entschädigung für die im zweiten Weltkrieg in Südostasien von Japanern vergewaltigten Frauen zum Thema machen

Als „Trostspenderinnen“ und „Militärunterhalterinnen“ wurden sie bezeichnet, die Frauen, die mit der japanischen Armee während des zweiten Weltkrieges von Kriegsschauplatz zu Kriegsschauplatz zogen. In eigens dafür errichteten Militärbordellen mußten sie Soldaten und Offiziere sexuell bedienen. Als eine der betroffenen Frauen vor knapp zwei Jahren ihr über 40jähriges Schweigen brach, sah sich Japan mit einem der dunkelsten Kapitel seiner Geschichte konfrontiert.

Die ehemaligen „Trostspenderinnen“, die seither vor die Weltöffentlichkeit treten, um über ihr Schicksal zu berichten, waren Zwangsprostituierte, gegen ihren Willen rekrutiert und verschleppt. In den Bordellen wurden sie, zumeist über Jahre hinweg, täglich zwanzig- bis dreißigmal von Militärangehörigen vergewaltigt. Allein in Korea beläuft sich ihre Zahl auf 200.000. Die Dunkelziffer in China, Indonesien und auf den Philippinen geht ebenfalls in die Tausende. Derzeit laufen in Japan mehrere Klagen betroffener Frauen gegen die Regierung. Auch wenn diese inzwischen der Forderung einer öffentlichen Entschuldigung nachgekommen ist, so steht eine finanzielle Entschädigung und die lückenlose Aufklärung aller Fakten noch aus.

„Wir können hier nicht tatenlos zusehen und müssen die Frauen in ihrem Kampf um ihre Würde unterstützen“, bekennt Young Sook Rippel. Die 48jährige ist Mitglied der Koreanischen Frauengruppe in Berlin, die in Zusammenarbeit mit der Japanischen Fraueninitiative eine internationale Konferenz zum Thema Krieg und Vergewaltigung organisiert. Wenn auch das zentrale Thema die sexuelle Versklavung der asiatischen Frauen im Zweiten Weltkrieg sein wird, so sollen auch historische und internationale Zusammenhänge hergestellt werden. „Es passiert doch momentan wieder vor unseren Augen, in Jugoslawien, und deshalb wollen wir auch an Frauen hier appellieren. Es geht uns alle an. Und es zeigt sich einfach eine schreckliche Parallelität“, sagt Young Sook. Dementsprechend werden Vertreterinnen von Frauenorganisationen und Zeuginnen aus Korea, China, den Philippinen, den Niederlanden ebenso wie aus Bosnien, Kroatien, Japan und Deutschland auf der Tagung sprechen.

Vier ehemalige Zwangsprostituierte aus Asien werden erwartet, alle mittlerweile weit über 60 Jahre alt. Lange, so ist von den Organisatorinnen zu hören, hat man sich überlegt, sie einzuladen, ihnen die Reise und das erneute Ausbreiten ihrer schmerzhaften Vergangenheit zuzumuten. Doch, „die Frauen wollen kommen, sie wollen endlich ihre Geschichte anerkannt bekommen“, meint dazu Michiko Kajimura von der japanischen Fraueninitiative. Und Young Sook fügt hinzu: „Diese Frauen sind zäh, sie haben den Krieg überlebt und fühlen sich verantwortlich für die anderen Frauen, die noch schweigen oder schon tot sind.“

Botschafter und Konsuln der betroffenen Länder haben abgesagt oder auf die Anfragen der Frauen nicht geantwortet. Man habe mit nichts anderem gerechnet, sei darüber jedoch auch sehr enttäuscht, so Michiko Kajimura. Das Thema ist immer noch tabu.

Über Chancen und Probleme der Entschädigungsfrage wird auf der Konferenz ebenso diskutiert werden wie über Forderungen und Resolutionen an Regierungen und Parlamente und über Möglichkeiten der internationalen Frauensolidarität. „Wir finden es sehr wichtig, daß aus den verschiedenen Ländern Frauen kommen, weil wir ein Netz aufbauen möchten, auch mit den europäischen Frauen“, stellt Michiko Kajimura fest. In nur fünf Monaten ist es den beiden Gruppen gelungen, die dreitägige Konferenz, inklusive eines Frauenkulturfestes und einer begleitenden Fotoausstellung, auf die Beine zu bringen. Mehrere Briefaktionen an die japanische Regierung und Unterschriftensammlungen liegen hinter ihnen.

Für Young Sook Rippel und Michiko Kajimura bedeutet diese Arbeit auch, sich mit der eigenen Geschichte auseinanderzusetzen und sich einander anzunähern. Auch wenn ihre Familien nicht direkt betroffen sind, so formuliert Michiko vorsichtig, „sind wir doch die Töchter der Opfer und die Töchter der Täter“. Am Anfang „wußten wir nicht, wie wir unsere Gefühle in Worte bringen konnten. Es war sehr schmerzhaft.“ Auch Young Sook spricht von den Schwierigkeiten. „Wir hatten eine bestimmte Erziehung gegenüber Japan und die Japanerinnen gegenüber Korea. Das ist nicht einfach an uns vorübergegangen. Aber für mich ist diese Frauenarbeit, das Sich-Auseinandersetzen und das gemeinsame Ziel, auch sehr wichtig und wertvoll.“

Mit der Konferenz verbinden sie vor allem die Hoffnung, Druck auf Japan auszuüben, damit es den Entschädigungsforderungen der Zwangsprostituierten nachkommt. Der Tagungszeitpunkt ist deshalb bewußt gewählt. Er fällt mit dem Deutschlandbesuch des japanischen Kaisers zusammen. Eile ist geboten, sagt Michiko. „Die alten Frauen müssen ihre Würde zurückbekommen, bevor sie sterben“. Tanja Stidinger

Die öffentliche Konferenz findet vom 10.9. bis 12.9. in der „Werkstatt der Kulturen“, Wissmanstraße 31-42 in Neukölln statt. Infos und Programme unter Tel.: 393 43 78 (Japanische Fraueninitiative)