: Ägyptologe für Kooperation mit Herkunftsländern
■ Museumsdirektor fordert Abkehr von kulturellem Nationalismus, die Identität müsse aber gewährleistet sein / Frühgeschichtler sieht ausschließlich juristische Lage
Die Diskussion über rechtmäßige Eigentümer des sogenannten „Schatz des Königs Priamos“ läuft auf vollen Touren; wenig gefragt wird zur Zeit, ob es neben der juristischen noch eine andere, eine moralische Komponente geben könnte. Der Kultursenator und Berliner Museumsdirektoren vertreten in diesem Punkt durchaus unterschiedliche Positionen.
Lange Zeit reisten Europäer quer durch die Welt, gruben Schätze aus und sammelten Kunstwerke in den bereisten Ländern. Kolonialmächte holten sich Schmuck und geschichtliche Dokumente aus den unterdrückten Gebieten; noch heute profitieren die Museen davon. Auch in Berlin werden wertvolle Gegenstände aus allen Teilen der Welt ausgestellt, viele Magazine quellen über. Doch genug hat etwa die Stiftung Preußischer Kulturbesitz noch lange nicht, wie der Kampf um den „Schatz des Priamos“ zeigt.
Für die Stadt hat der parteilose Kultursenator Ulrich Roloff-Momin die Ansprüche unmißverständlich angemeldet: Der Goldschatz gehöre „völkerrechtlich zweifelsfrei nach Berlin“, begründete er. Auch die Bundesregierung wird nach seiner Einschätzung „nichts unversucht lassen“, die Sammlung in den Besitz des „rechtmäßigen Eigentümers in Berlin“ zurückzuführen. Aufgebracht hatte die neuerliche Diskussion der griechische Schliemann- Experte Professor Georg Korres, der den Nachweis antreten möchte, daß der deutsche Altertumsforscher den Schatz rechtmäßig erworben hat.
Völlig klar ist die Lage auch für Wilfried Menghin, Direktor des Berliner Frühgeschichtemuseums: Schliemann hat der türkischen Regierung genug Geld gezahlt, Berlin ist also rechtmäßiger Eigentümer – basta.
Ohne sich unmittelbar in die Diskussion um den umstrittenen Schliemann-Fund einzumischen, hat Professor Dietrich Wildung Zweifel an der momentanen Kulturpolitik angemeldet. Gegenüber der taz forderte der Direktor des Ägyptischen Museums die „Intensivierung der internationalen Kooperation“. Die Zeiten, in denen „Partikularismus und Nationalismus“ die Kulturpolitik prägten, müßten vorbei sein, wie „die schlimmen nationalistischen Entwicklungen“ überhaupt. Einzelstaatliche Interessen gestehe er jedoch den Ländern zu, „die ihrer nationalen Identität vollständig beraubt“ worden seien, vor allem in Afrika: „Benin ist so ein Land, dem während der belgischen Kolonialzeit beinahe alle Kulturschätze genommen wurden.“
Wildung fordert, „ganz unbefangen über die Rückgabe zu reden, losgelöst von der juristischen Seite“. Allerdings sei das keineswegs die einzig mögliche Lösung. Gerade bei den Staaten, die selbst über zahlreiche hochwertige eigene Kulturschätze verfügten, sei es sinnvoll, ihnen „Stücke unseres abendländischen Kulturguts zur Verfügung zu stellen, vielleicht als Dauerleihgaben. Schließlich ist Internationalismus die Botschaft, die wir zu transportieren haben.“ Für Vereinbarungen dieser Art könnte „die UNESCO unendlich viel tun, wenn sie nicht wie die ganze UNO in der Krise wäre“.
Während viele Einzelstücke bei den jetzigen Besitzern verbleiben könnten, ist nach Ansicht Wildungs, der auch Präsident des Internationalen Ägyptologenverbandes ist, vorrangig wichtig, „auseinandergerissene Ensembles wieder zu vervollständigen“. Oft seien „Reliefblöcke oder Wandmalereien aus einem größeren Kontext herausgelöst“ worden, in die man sie nun wieder einfügen solle. Zuvor muß nach seiner Einschätzung jedoch politisch gewährleistet sein, daß die Stücke wirklich ihr Ziel erreichen „und nicht plötzlich wieder auf dem Kunstmarkt auftauchen“, und daß die „materiell-konservatorischen Bedingungen geschaffen werden, damit die Stücke im Herkunftsland nicht endgültig zerstört werden“. Christian Arns
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