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Einer gegen alle Linksextremisten

■ Bonner Professor wegen rechter Schriften unter Beschuß

Bonn (taz) – Hans-Helmuth Knütter, Professor für Politikwissenschaft an der Bonner Friedrich- Wilhelms-Universität, hat ein Problem: er fühlt sich umzingelt von Linksextremisten. Die zettelten eine Hetzkampagne gegen ihn an, klagte der Gelehrte kürzlich in einem Brief an die Lokalzeitung. „Sämtliche Behauptungen“, die in einem Flugblatt über ihn verbreitet wurden, auch „angebliche Zitate“ aus seinen Werken, seien „aus dem Zusammenhang gerissen und in ihr Gegenteil verkehrt“. „Den Linksextremisten“ werde „mit allen straf- und zivilrechtlichen Mitteln entgegengetreten“.

Das wird spannend, denn in letzter Zeit reißen offenbar immer mehr vermeintliche Linksextremisten Zitate aus dem Zusammenhang: In einem offenen Brief fordern unter anderem der DGB-Vorsitzende des Rhein- Sieg-Kreises, der Duisburger Rassismus-Forscher Siegfried Jäger, der Bremer Staatsrat Michael Kniesel, der Bonner AStA und die örtlichen Grünen eine Stellungnahme des Uni-Rektors zu Hans-Helmuth Knütter (59).

Stein des Anstoßes ist dessen neueste Schrift „Wanderungsbewegungen – ein Faktum, Multikulturelle Gesellschaften – eine Fiktion“, in der der C4-Professor Vorurteile von Deutschen gegenüber anderen Nationen propagiert, da „Vorurteile eine wichtige, orientierende Funktion haben“. „Für ein gutes Zusammenleben ist eine Distanz zwischen den Volksgruppen notwendig“, fabuliert ferner das ehemalige Mitglied im Beirat der Bundeszentrale für politische Bildung, das auch regelmäßig in neurechten Zeitschriften wie Mut und Criticon veröffentlicht. Solche Äußerungen sind für die Unterzeichner des offenen Briefes „unerträglich“.

Jetzt hat auch die Uni ein Problem: Hans-Helmuth Knütter. Zwar leitete Universitätsrektor Max Huber den offenen Brief umgehend zur Stellungnahme an das politische Seminar weiter, seit nunmehr sieben Wochen aber herrscht Schweigen im Wald. Auf Anfrage verbreitete der Rektor lediglich Binsenweisheiten: „Hochschullehrer können für sich die Freiheit der Lehre in Anspruch nehmen... Im übrigen geht der Rektor davon aus, daß die Mitglieder und Angehörigen der Universität sich der aus der grundgesetzlich garantierten Freiheit der Lehre erwachsenden besonderen Verantwortung bewußt sind und sich dementsprechend verhalten.“

Fragen zu Knütter beschied die Pressesprecherin der Universität barsch: „Sie müssen jetzt einfach warten, bis Sie Ihre Antwort kriegen.“ – Wann das sein werde? – „In der nächsten Zukunft.“ So lange will der grüne Landtagsabgeordnete Roland Appel nicht warten. Er stellte nun eine Anfrage an die Landesregierung Nordrhein- Westfalen, in der er nach Konsequenzen aus Professor Knütters Verhalten fragt.

Ebenso begehrt Appel Auskunft über den „Ost-West-Arbeitskreis“. Der studentische Zirkel hatte unter Knütters Mentorat, bevor er Ende 1991 geräuschlos aufgelöst wurde, in der Universität Vorträge mit dem Rechtsextremisten Hans-Dietrich Sander, dem Auschwitz-Leugner David Irving und einen Abend mit dem Nazi- Lieder-Sänger Frank Rennicke veranstaltet. Offizieller Zweck des Arbeitskreises: „politische Bildung“. Heinz Lang

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