: Deine ganz persönliche Note
■ Tageszeitung proudly presents: The Art Ensemble of Chicago, live in concert und leibhaftig im Workshop
Go ahead! Na los doch! Nicht grübeln, sondern blasen — trau dich, Frank! „Give me a rhythm with only two notes!“ So fordert's der Meister, und also entfesselt Frank sein Baritonsaxofon und treibt den Rest der Bläser mächtig an. Da strahlt der Meister. Spontane, kollektive Improvisation — das ist, wofür Joseph Jarman und der Rest des Art Ensembles of Chicago schließlich selbst berühmt sind. Ob gemeinsam mit heimischen MusikerInnen, wie derzeit bei den Workshops der Herbstakademie, oder unter sich, wie beim Bremer Musikfest: Am Sonntag spielen die fünf Jazzphilosophen darselbst, im großen Saal der Glocke, und als ob das der Freude nicht genug sei, wird das ganze Spektakel auch noch präsentiert von dieser Ihrer Tageszeitung.
Zuvor aber erfüllen die Meister die Wißbegierigen der Stadt mit ihrer Weisheit. Erforschen die Untiefen der Baßtrommel, wie Don Moje und seine Studenten; erfahren die Kraft des menschlichen Atems, wie im Saxofon-Workshop mit Joseph Jarman: „Breathe life into your instrument“, ermutigt er sein kleines, sechs Köpfe zählendes Studien-Kollektiv. Musik nämlich kommt nicht aus dem Blechtrichter mit den vielen Klappen und Knöppen dran, sondern aus dem menschlichen Körper - Lektion eins.
Zweitens, oder eigentlich: Zuallererst geht's in der Musik nicht so sehr um das eigene Instrument. Mit den anderen klarzukommen, sich zu arrangieren und zu verbünden - das sei Anfang und Ende aller Musik, eröffnet Jarman den Studenten. Folglich lehrt er keine Noten, sondern „ways of sharing music“. Also: Öffnet Euren „collective mind“, laßt es fließen, und zwar „real soft and quiet and together.“
Tonleitern,
die nicht aus dem Buch,
sondern aus dem Bauch
kommen
Und siehe: Schon bändigt Frank sein Monstersaxofon, läßt die leiseren Stimmen im Ensemble zu Wort kommen. „Now create a balance of harmony“ - und bloß nicht so verkrampfen! Denn - Lektion Nr. 3 - „music is not supposed to be a complicated process, but to make life easier“. Und so, wie Jarman sanftmütig lächelt, kann man ihm nur glauben: „It has made my life easier, you know.“
Also fangen wir ganz einfach an. Mit einem einzigen Ton, einer einzigen Note. Alle weiteren finden sich schon ganz von selbst. Beim Improvisieren werden doch wohl noch ein paar Töne abfallen. „Select your note“, fordert er Brigitte. Sie greift sich das „Es“ und haucht es durch ihren Tenorsax. Ganz sanft, rät der Meister, der Tenor muß wie ein Vogel über den Wolken der anderen Instrumente schweben. Und bevor sie sich's versieht, fliegt sie davon. Ton für schrägen Ton. Und schon hat sie eine ganze Tonleiter zusammen - ihre eigene, ganz persönliche: „This scale came not from the book“, erkärt Jarman; denn nichts muß aus dem Buch kommen, wenn man's doch im Bauch hat.
Und das ist - zum Letzten - die ganze Weisheit, die Jarman den Bremern bringt: Daß alle Musik dem Geist entspringt und nicht dem Notenheft - „It comes from your mind and nowhere else“. So muß die Musik immer wieder neu erfunden werden. Abend für Abend. Aus einer einzigen Note.
Thomas Wolff
Die Ergebnisse der Workshops sind am Samstag, 11.9., um 20 Uhr beim Abschlußkonzert der Herbstakademie zu hören, in der Hochschule für Künste (Dechanatstr.); am Sonntag, 12.9., spielt das Art Ensemble of Chicago in der Glocke, ebenfalls um 20 Uhr.
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