: Braune Haßtiraden im Äther
■ "Free flow of information": Neonazis nutzen US-Kurzwellensender für revisionistische Propaganda
Der Tonfall ist schwäbisch, die Botschaft eindeutig: „Die Bonner Vasallenregierung läßt lieber Millionen von Drogendealern und Asylbetrügern ins Land, als sich um die Belange unserer Rußlanddeutschen zu kümmern!“
Mit solchen Aussagen belegt der mehrfach wegen antisemitischer Äußerungen vorbestrafte Ernst Zündel, 54, aus Toronto seit kurzem mit einer halbstündigen deutschsprachigen Sendung die Ätherwellen. Der rechtsradikale deutsch-kanadische Verleger verbreitet über den kommerziellen US-Kurzwellensender World Radio New Orleans Worldwide (WRNO) unter dem Titel „Deutsche Stimme der Freiheit“ jeden Sonntag seine Haßtiraden – via Kurzwelle. Zündel, einer der maßgeblichen ideologischen Drahtzieher der rechtsradikalen Szene in Deutschland, fungiert gleichzeitig als Produzent und Moderator. Er leistet in seinen Sendungen deutschen beziehungsweise europäischen Gesinnungsbrüdern mit Durchhalteparolen und Haßtiraden auf Ausländer „moralischen Beistand“. Beschimpfungen jüdischer Bürger und sogenannter Asylbetrüger ziehen sich als brauner Faden durch seine Sendungen. Nachdem Rechtsradikale die neuen Medien wie Info-Telefone, Btx und Mailboxen als Propagandainstrumentarium entdeckt haben, versuchen sie nun, die Lufthoheit auf den Ätherwellen zu gewinnen. Zündel bezeichnet sich selbst als Revisionist und brüstet sich: „Die großen Medien in Deutschland beschäftigen sich nun endlich mit dem Revisionismus, da wir ihn weltweit verbreiten.“ Und dann liest er ausgesuchte Hörerzuschriften vor, die ihn angeblich in seinem Engagement um die Sache des Revisionismus bestätigen. Darin geht es dann um die Leugnung des Holocaust, die Rückgewinnung der deutschen Ostgebiete und um angeblich unterdrückte deutsche Minderheiten in früheren Ostblockstaaten.
Neben Zündel versuchen schon seit längerem kleinere rechtsradikale Gruppierungen, ihre Organisationen via Kurzwelle zu vernetzen. Bislang sind diese Versuche in den Anfängen steckengeblieben.
Eine wichtige Rolle spielen dabei die kommerziellen US-Kurzwellenanbieter. Sie erlauben es den kanadischen Neonazis um Zündel, rechtsradikale Propaganda über den Äther zu schicken. Die kleinen Sender kämpfen ums wirtschaftliche Überleben, entsprechend ist ihnen der Dollar mehr wert als ethische Grundsätze.
Die rechtsextreme Kurzwellenpropaganda läuft über drei US- Sender. Da ist zunächst der religiös orientierte WRNO. Da der Empfang dieses Senders in Deutschland ausgesprochen schlecht ist, entschieden sich die „Auslands- Rechten“, ihre deutschsprachige Propaganda bei einem Radiosender unterzubringen, der in der Bundesrepublik besser zu empfangen ist: Seit dem 20. Juni nutzen sie deshalb den kommerziellen Radiosender Worldwide Christian Radio (WWCR). Auch dort ertönt sonntags die „Deutsche Stimme der Freiheit“, 13 Sendeplätze hat Zündel gemietet. Der erzkonservative Programmdirektor von WWCR, Adam W. Lock, der angeblich von den faschistischen Inhalten nicht gewußt haben will, wollte sich zunächst auf Anfrage dazu nicht äußern. Pro forma distanzierte sich aber WWCR am 4. und am 11. Juli erst in englischer, am 18. Juli dann in deutscher Sprache von Zündels Parolen, jeweils zu Beginn und am Ende der Sendung. Jetzt kündigte Lock an, daß am 12. September die vorläufig letzte Sendung von „Deutsche Stimme der Freiheit“ laufen soll: „Wir haben so viele Anrufe und Bitten unserer Zuhörerschaft auf Einstellung dieser Neonazi-Sendung erhalten, daß wir handeln mußten. Weitere Folgen werden zumindest nicht über unseren Sender ausgestrahlt werden.“ Zu der Frage, ob politischer Druck hinter der Programmänderung steht, wollte sich Lock nicht äußern.
Darüber hinaus produziert Zündel eine englischsprachige Version mit dem Titel: „Voice of Freedom“. Sie soll weiterhin bei WRNO zu hören sein. Zusätzlich wird auf einer Frequenz des Senders „World International Broadcasting“ (WINB) samstags die „Deutsche Stimme der Freiheit“ gesendet, allerdings für ein amerikanisches Zielpublikum, für in Nordamerika lebende Deutsche.
Selbst aktuellen tagespolitischen Themen wie etwa dem Hungerstreik in Bischofferode widmet sich Zündel. Mit „deutschem Herz für Deutsche“ ließ er einen Kali- Kumpel 30 Minuten lang zu Wort kommen. Am Ende einer jeden Sendung ruft Zündel die Getreuen zum Spenden auf. Denn die Einkünfte seines Verlages würden nicht ausreichen, um die teuren Sendeminuten (15.000 Dollar pro Folge) zu bezahlen. Gleichzeitig nutzt Zündel die Sendungen auch als Werbeplattform für seine eigenen Publikationen und wirbt andere rechtsradikale Buchverlage als Partner. Zündels Samisdat- Publications-Ltd.-Verlag (Selbstverlag) versorgt die deutschen Rechtsextremen schon seit Jahren mit Propaganda- und Schulungsmaterial, unter anderem mit der von ihm verbreiteten „Auschwitz- Lüge“.
Dennoch bleibt die informative Vernetzung zwischen den Gesinnungsgenossen Zündels Primärziel. Nach jedem Interview bittet er seine Gesprächspartner um ihre Kontaktadressen sowie Publikations- und Preislisten, die dann mehrfach über den Äther verkündet werden. Selbst der inhaftierte österreichische Neonazi Gottfried Küssl konnte via Mittelsmann in Zündels Sendung Lebenszeichen und Durchhalteparolen von sich geben.
Ostblock-Störsender reaktivieren?
Generell ist ein Verbot dieser Sendungen kaum möglich, da das amerikanische Rundfunkrecht eine Zensur verbietet – einzige Ausnahme: Pornographie. Letztlich bleiben nur wenige Möglichkeiten, diese Sendungen zu unterbinden. Entweder die deutschen Bundesländer lassen ehemalige bulgarische beziehungsweise rumänische Störsender aktivieren, was jedoch den Grundsatz des free flow of information und somit die Bestimmungen der Internationalen Fernmeldeunion (ITU), einer UNO- Unterorganisation mit Sitz in Genf, verletzen würde. Oder Gegner besetzen die amerikanischen Radiosender und legen den Sendebetrieb lahm, was juristische Konsequenzen nach sich zöge.
Die Rechtsradikalen in Nordamerika wollen sich nicht mit dem internationalen Hörfunk begnügen. In einer der jüngsten Ausstrahlungen kündigte Zündel bereits an: „Wir werden neue Wege der weltweiten Kommunikation gehen!“ Seit kurzem versorgt die Zündel-Gruppe via Satellit (Galaxy 3) mit einem halbstündigen „revisionistischen“ Fernsehprogramm – „Showcase America“ – jeden Sonntagabend ihre Gesinnungsgemeinde in Nordamerika. Erbil Kurt
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