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■ Edward Said kritisiert die Egomanie Jassir ArafatsDer Schacher der PLO

Der „historische Durchbruch“, jüngst von PLO und der israelischen Regierung verkündet, soll signalisieren, daß eine neue Phase der Versöhnung zwischen zwei Feinden eingetreten ist. Er beläßt jedoch die PLO zugleich in einer Rolle des Untergebenen, während Israel immer noch über Ost-Jerusalem, Siedlungen, Souveränität und Ökonomie bestimmt. Obwohl ich immer noch an eine Zwei-Staaten-Lösung glaube, wirft der plötzlich vorgeschlagene Friedensplan doch viele Fragen auf.

Noch sind seine Details unbekannt, doch er ist deutlich genug in seinen Hauptlinien: Israel wird die PLO anerkennen, es wird „begrenzte Autonomie“ und „schnelle Autorisierung“ für die Palästinenser im Gaza-Streifen bewilligen, einem der erbärmlichsten Orte auf Erden. Jericho, eine kleine Stadt in der Westbank, liegt nur 90 Kilometer entfernt. Man wird Jassir Arafat einen Besuch erlauben, aber nicht den Wohnsitz; einigen hundert Mitgliedern der PLA (Palestine Liberation Army – Palästinensische Befreiungsarmee), derzeit in Jordanien, wird man Sicherheitsfunktionen zugestehen, etwa polizeiliche Kontrollmaßnahmen. Ebenso werden die städtische Aufsicht über Gesundheit, Bildung, Postwesen und Tourismus von den Palästinensern abgedeckt werden.

Zwar wird sich die israelische Armee aus den Bevölkerungszentren zurückziehen, jedoch nicht ganz abrücken. Israel wird weiter Land, Wasser, Sicherheit und Außenpolitik in diesen „autonomen“ Regionen kontrollieren. In der Westbank wird Israel in unbestimmter Zukunft die Region zwischen Gaza und Jericho, der Allenby-Brücke nach Jordanien und fast das gesamte Wasser und Land kontrollieren – wovon es mindestens 50 Prozent schon besitzt. Es bleibt also die Frage, wieviel Land Israel tatsächlich für den Frieden aufzugeben bereit ist.

Die PLO hat sich ganz klar von einer nationalen Befreiungsbewegung in eine Art Kleinstadtregierung verwandelt, in der die gleiche Handvoll Personen den Ton angibt. Man schließt, verkauft, verläßt die PLO-Büros im Ausland – wo sie doch alle Ergebnis eines jahrelangen teuer bezahlten Kampfes waren, der den Palästinensern ihr Recht auf Repräsentation brachte.

Für die mehr als 50 Prozent Palästinenser, die nicht in den besetzten Gebieten leben – 350.000 staatenlose Flüchtlinge in Libanon, doppelt so viele in Syrien und noch viele mehr anderswo –, bedeutet der Vertrag die endgültige Enteignung. Nun scheinen auch ihre nationalen Rechte als Volk, das 1948 zu Flüchtlingen gemacht wurde – von UNO, USA, den arabischen Regierungen, ja fast der gesamten Welt immer wieder versichert – annulliert.

Alle geheimen Abkommen zwischen einem sehr starken und einem sehr schwachen Partner beinhalten notwendigerweise Konzessionen des letzteren. Dennoch merkt man diesem Deal die völlige Erschöpfung und Isolation der PLO-Führung an – und Israels Gerissenheit. Nach all den Jahren der Konzessionen fragen sich viele Palästinenser, warum wir erneut auf Israel und die USA zugehen. Nur um der Versprechen und vager Verbesserungen in den besetzten Gebieten willen? Selbst diese werden frühestens nach den endgültigen Status-Gesprächen Realität, also vielleicht in drei, fünf oder noch mehr Jahren.

Wir haben noch nicht einmal das explizite Zugeständnis Israels (das immer noch nicht zugegeben hat, Besatzungsmacht zu sein), die Besatzung mit den sie implizierenden Gesetzen und Bestrafungsapparaten zu beenden. Nichts wird über die 13.000 politischen Gefangenen in israelischen Gefängnissen gesagt. Kann die israelische Armee etwa nach Gusto einmarschieren? Wer entscheidet das und wann?

Was immer auch von wem unterzeichnet wird, es muß das Recht der Palästinenser auf Freiheit und Gleichheit beinhalten. Begrenzte „Autonomie“ ist nichts, womit man den Menschen langfristig Hoffnung geben kann. Vor allem die Palästinenser müssen jetzt das größte Mitspracherecht über ihre Zukunft erhalten. Es ist beunruhigend, daß der „Nationalrat“ noch nicht tagte und die Verwirrung, die Arafats Methoden schafften, in keinster Weise thematisiert wurden.

Vor zwei Wochen traten die beiden einzigen unabhängigen Mitglieder des PLO-Exekutivkomitees, Mahmoud Darwish und Shafia el-Hout, aus Protest zurück. Hout sagte, Arafat sei zum Autokraten geworden, seine Finanzpolitik ein Desaster. Und schlimmer: Eine Handvoll Männer ohne repräsentative Legitimation und Bezug zum normalen Leben bestimmt das Schicksal von sechs Millionen Menschen.

Es gab keine erwähnenswerten Gespräche, die den Namen Beratung verdienen. Die Bedingungen in den besetzten Gebieten haben sich verschlimmert – und dies nach zehn fruchtlosen Gesprächsrunden. Als ich im Sommer vor Ort war, machte jeder, mit dem ich sprach, Arafat und die Delegationsmitglieder hierfür verantwortlich. Dann im August traten drei Verhandler aufgrund der undemokratischen Methoden Arafats zurück. Sie würden im Gespräch mit den Israelis ausbluten und sich verausgaben, während er seine geheimen Verhandlungen führe. Man brachte sie auf Linie. Nur dem allseits respektierten Gaza-Vertreter und Delegationsleiter Dr. Haidar Abdel-Shafi blieb es überlassen, weiterhin „Reform und Demokratie“ einzuklagen.

Eine in Auflösung befindliche PLO samt den desaströsen Zustände in den besetzten Gebieten bedeuten, daß es noch nie eine schlimmere Krise der Palästinenser gab als jene, die vergangenen Sommer begann – als Arafat sich auf den israelischen Plan einließ und den Gegner auf einen Schlag von zwei Problemen befreite, die er nun lösen muß.

Ich bewundere die wenigen offiziellen Palästinenser, die tapfer daran festhalten, all dies sei der erste Schritt zur Beendigung der Besatzung. Aber jeder, der die Hals-über-Kopf-, um nicht zu sagen unverantwortlichen Methoden Arafats kennt, ist besser beraten, an einer anderen Zukunft zu arbeiten.

Selbstverständlich kann keine politische Lösung eines langen und blutigen Konfliktes allen Umständen gerecht werden. Endlich von Israel und den USA anerkannt zu werden mag für Arafat die Erfüllung seines Lebens sein. Es ist aber keine Antwort auf palästinensische Bedürfnisse. Unser Kampf geht um Freiheit und Demokratie; er ist säkular und verlief – bis auf die letzten drei Jahre – recht demokratisch. Arafats PLO, unsere einzige nationale Institution, weigerte sich in den vergangenen Jahren, die verschiedenen Wählerschaften zu mobilisieren, um die besten Fähigkeiten der Menschen zu bündeln.

Die PLO muß sich nun sehr anstrengen, um all die Loyalität und Bereitschaft, die sie so notwendig braucht, auch zurückzuerobern. Sonst verpfändet sie die Zukunft – ohne ernsthafte Debatte, ohne adäquate Vorbereitung und ohne ihrem Volk die volle und bittere Wahrheit zu sagen.

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