: München leuchtet ... Gauweiler heim
■ SPD-Kandidat Christian Ude siegt in der ersten Runde der Münchner Oberbürgermeisterwahlen
München (taz/AP) – Die Münchnerinnen und Münchner haben sich mehrheitlich zur Liberalitas Bavariae bekannt und bei den gestrigen Wahlen für das Oberbürgermeisteramt dem CSU-Kandidaten Peter Gauweiler eine Abfuhr erteilt. Nach den bis zum Redaktionsschluß um 19 Uhr vorliegenden Hochrechnungen konnte der SPD-Kandidat Christian Ude 51,4 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen, der bayerische Umweltminister und Strauß-Zögling Gauweiler mußte sich mit nur 42,6 Prozent bescheiden. Die Wahlbeteiligung lag mit an die 70 Prozent um rund 5 Prozent höher als bei den Oberbürgermeisterwahlen des Jahres 1990, die der SPD-Mann Georg Kronawitter mit 61,6 Prozent klar gewinnen konnte.
Obgleich Peter Gauweiler mit Abstand bekannter und markanter ist sowie dem folkloristischen Bild der Hauptstadt des Freistaates Bayern im Trachtenanzug visuell viel besser entspricht als sein Kontrahent Ude, konnte er diesen nicht bezwingen. Dies liegt zum einen daran, daß München nicht Bayern ist und mit der Ausnahme Erich Kiesls, der von 1978 bis 1984 für die CSU im Rathaus saß, seit dem Krieg immer von sozialdemokratischen Oberbürgermeistern regiert wurde. Zum anderen haben offenbar die im Wahlkampf bekanntgewordenen Details über die überaus lukrativen Nebengeschäfte des Umweltministers ihm nachhaltig geschadet. Nach der zähen Amigo-Affäre, welcher der bayerische Ministerpräsident Max Streibl schlußendlich zum Opfer gefallen war, scheint damit auch Gauweiler keine große politische Zukunft mehr zu haben. Auch für die bayerische Landtagswahl im Frühjahr kommenden Jahres, bei der die CSU um ihre absolute Mehrheit im Freistaat wird zittern müssen, hat der Münchner SPD-Erfolg Signalwirkung.
Die Neuwahl war notwendig geworden, weil der langjährige Oberbürgermeister Georg Kronawitter zum 1. Juli zur allgemeinen Überraschung seinen Rücktritt erklärt hatte, um sich auf seine Kandidatur für den bayerischen Landtag im kommenden Frühjahr vorzubereiten. Der Stadtrat, in dem es eine rot-grüne Mehrheit gibt, wurde gestern nicht neu gewählt.
Nachdem der siegreiche Sozialdemokrat den Wahlkampf anfänglich zu verschlafen schien, schimmerte erst in den letzten Tagen vor der Wahl der Christian Ude, wie ihn seine Freunde beschreiben und seine Bücher zeigen, ein wenig durch: ein witziger, selbstironischer Intellektueller. Ude, ein „eingeborener“ Münchner, kennt die Stadt und ihre Probleme wie weniger andere. Geboren am 28. Oktober 1947 in Schwabing, berichtete er Ende der sechziger Jahre für die Süddeutsche Zeitung über die Studentenproteste, schloß nebenbei sein Jura-Studium mit Prädikat ab, arbeitete von 1972 bis 1978 als ehrenamtlicher Pressesprecher der SPD – wobei es unter anderem seine Aufgabe war, im Wahlkampf den damals noch völlig unbekannten und von ihm nicht gerade geschätzten jungen Landwirtschaftsexperten Kronawitter an die Münchner zu bringen. Zwischendurch heiratete er die SPD- Stadträtin Edith von Welser samt ihrer sechs Töchter und Söhne. Nach 12 Jahren als selbständiger Rechtsanwalt zog er im März 1990 mit dem zweitbesten Wahlergebnis nach „Schorsch“ Kronawitter in den Stadtrat, zwei Monate später war er bereits dessen Stellvertreter.
In der SPD gilt er als der Mann, der – obwohl selbst Juso der 68er-Generation – die Partei nach zermürbenden Grabenkämpfen zwischen Linken und Rechten in den siebziger Jahren wieder zusammengeführt hat. Daß die rot-grüne Koalition im Rathaus trotz aller Querelen immer noch Bestand hat, wird ihm ebenfalls zu einem Gutteil angerechnet. Nach dem „Münchner Kessel“ während des Weltwirtschaftsgipfels im vergangenen Sommer verurteilte er scharf die brutale Polizeiaktion gegen demonstrierende Gipfel-Gegner. In der Asylpolitik argumentierte er häufig gegen seinen Mentor Kronawitter, ohne sich gleichwohl mit ihm zu überwerfen.
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