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Karlsruher Fernsehgericht tagt

■ Nach fünf Jahren Wartezeit: Die Roten Roben richten über Festsetzung der Rundfunkgebühren

Das Bundesverfassungsgericht wird bald darüber entscheiden, ob die Landesparlamente und Ministerpräsidenten weiterhin die Höhe der Rundfunkgebühren festlegen dürfen. Dazu hat es für den 30. November eine eintägige mündliche Verhandlung angesetzt, auf der auch grundsätzliche Fragen der Zukunft des öffentlich- rechtlichen Rundfunks erörtert werden sollen.

Ein Punkt des Fragenkatalogs der Karlsruher Verfassungswächter sind alternative Formen der Gebührenfestsetzung und wie die Einflußnahme von außen neutralisiert werden kann. Die Roten Roben fragen außerdem, ob sich objektiv bestimmen lasse, „welche Programme zur Wahrnehmung des Rundfunkauftrags erforderlich sind“.

Ausgangspunkt der Verhandlung ist eine Klage der Humanistischen Union und der Grünen- Stadtratsfraktion Münchens im Jahr 1984 gegen den sogenannten Kabelgroschen. Die Ministerpräsidenten der Länder hatten 1982 per Staatsvertrag die Rundfunkgebühren erhöht und einen Teil davon für die Kabelpilotprojekte vorgesehen. Die Kläger hielten diese Abgabe für eine versteckte Steuer und gingen bis zum Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, wo sie am 6. Juli 1988 Recht bekamen. „Die Gebührenfestsetzung ist nicht mehr mit dem Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks vereinbar“, so die Richter, da „die Gebührenhöhe zunehmend nach politischen Kriterien ausgehandelt wird“. Deshalb müßten ARD und ZDF die Gebührenhoheit erhalten, da nur sie „Element der Sicherheit dafür ist, daß die öffentlich-rechtlichen Rundfunkträger, unabhängig und unbeeinflußt von politischen Zumutungen“, ihrem Auftrag nachkommen könnten.

ARD & ZDF schlechter dran als AOK?

Es sei nicht einsehbar, warum die Rundfunkanstalten schlechter dastehen sollten als Ortskrankenkassen oder Tierkörperbeseitigungsanstalten. Die Kontrolle könne auch über die staatliche Genehmigung der Gebührensatzungen laufen, und die Gebühren würden dann von den Gremien beschlossen. Bisher wurde die Gebührenkontrolle der Politik mit der Monopolstellung der öffentlich-rechtlichen Anstalten begründet; dies könne nach richterlicher Erkenntnis mittlerweile keine Gültigkeit mehr beanspruchen. Das Verfahren wurde vom Verwaltungsgerichtshof aber ausgesetzt und wegen der Grundsätzlichkeit der Entscheidung zum Bundesverfassungsgericht nach Karlsruhe abgegeben, das nun endlich nach fünf Jahren Wartezeit verhandeln will.

Die Entscheidung der Roten Roben könnte sich aber auch zum „Rohrkrepierer“ für die Rundfunkfreiheit entwickeln. Anfang des Jahres stellten Kanzler Kohl und CDU-Fraktionschef Schäuble die Gebührenfinanzierung grundsätzlich in Frage. Kommerzfunker wie Leo Kirch wollen die ARD am liebsten auf Regionalsender reduziert sehen, und die FDP-Medienkommission forderte die völlige Privatisierung des ZDF. Der CSU- Medienpolitiker und „Durchrassungs“-Spezialist Edmund Stoiber zog aus dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs den Schluß, ARD und ZDF könnten nur noch Entgelt von ZuschauerInnen bekommen, die tatsächlich ihre Programme konsumieren, im Pay-Per-View-System.

Folgerichtig versucht jetzt der ultrakonservative Fernsehverein „Bürger fragen Journalisten“ aus Erlangen, die allgemeine Gebührenpflicht abzuschaffen. Er streitet sich vor Gericht mit dem Bayerischen Rundfunk und will auch bis nach Karlsruhe gehen. Am 16. Juli präsentierte der Verein den programmfilternden „Thoma-Fernseher“. Dies ist beileibe keine Erfindung des RTL-Chefs, sondern des Erfinders Friedrich Thoma, der ein Zusatzgerät für den Fernseher entwickelt hat, das angeblich öffentlich-rechtliche Programme nicht auf den Bildschirm läßt. So erhalte der Bürger das Recht, „selbst entscheiden zu können, ob er [...] beide Arten von Programm empfangen will“, so Thoma. Der Erlanger Verein, Gegner jedes auch nur entfernt als linkslastig verdächtigen Journalismus, hatte dieses Gerät bereits 1991 bei der GEZ angemeldet, die Gebühren aber nie gezahlt. Jetzt klagt deshalb der Bayerische Rundfunk als zuständige Rundfunkanstalt vor dem Verwaltungsgericht. Der Verein läßt sich dabei bezeichnenderweise von der Bremer Anwaltskanzlei vertreten, in der Joachim Theye sitzt, ein enger Vertrauter Leo Kirchs und Aufsichtsratsvorsitzender bei Sat.1.

Die Kläger begründen ihre Zahlungsverweigerung damit, daß einer Gebühr ein entsprechender Nutzen gegenüberstehen müsse. Wenn aber durch technische Voraussetzungen „von vorneherein [...] die Möglichkeit des Empfangs von öffentlich-rechtlichen Rundfunkprogrammen“ ausgeschlossen sei, entfalle die Gebührenpflicht. Die Erlanger sehen sich dabei durch einen Beschluß des hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom Jahre 1990 bestätigt, der die Rundfunkgebühr für rechtmäßig hielt, solange eine Trennung der Programme nicht möglich sei. Der Bayerische Rundfunk lehnt diese Auffassung ab, da die Rundfunkgebühr nicht für einzelne Programme erhoben wurde, sondern zur Finanzierung der Gesamtveranstaltung Rundfunk diene.

Kritik an der „Thoma-Lösung“ kommt allerdings auch von den Kommerziellen selbst. Der Verband Privater Rundfunk und Telekommunikation (VPRT), Dachverband der großen Veranstalter, distanziert sich.

Kommerzfunker gegen „Thoma-Fernseher“

„Wir haben noch nie eine Abschaffung der Rundfunkgebühren gefordert, sondern im Gegenteil ein sauberes System nach englischem Vorbild“, so die Geschäftsführerin Ursula Adelt. Der VPRT will die Trennung, Gebühren für Öffentlich-Rechtliche und Werbung allein für Kommerzielle. Ein Erfolg der Erlanger Initiative wäre ein „Horrorszenario“, da sich dann die Öffentlich-Rechtlichen auch voll auf den Werbekuchen stürzen würden. Mit dem Versuch, die Verkabelung und damit die Kommerzialisierung des Rundfunks zu stoppen oder zumindest zu behindern, sind die Humanistische Union und die Grünen letztlich gescheitert; die Zeit hat Fakten gesetzt – auch eine Methode, mit Legalität umzugehen. Dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk könnte diese Klage aber helfen, sich dem Würgegriff der Staatskanzleien und Parteizentralen zu entziehen. Hoffentlich kommt die Rettung nicht zu spät, denn wenn sich der „Thoma-Fernseher“ durchsetzt, dürfte das Ende des öffentlich- rechtlichen Systems nicht mehr fern sein. Philippe Ressing

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