Fähnchenmalen für den Kaiser

In der japanischen Schule am Wannsee erleben die fünfzehn Kids eine familiäre Atmosphäre und japanische Ordnung zugleich  ■ Von Sabine am Orde

Eigentlich hat Yuki gar keine Lust, Fähnchen zu malen. „Blöd ist das“, sagt die 14jährige. Sie lacht verschämt und pinselt trotzdem weiter gelbe Wasserfarbe auf das Papier, welches eine Deutschlandfahne werden soll. „Aber wir müssen das machen, weil der Tenno kommt.“ Auf deutsch sagt sie das, und vielleicht nur, weil ihr Lehrer eben nur Englisch und Japanisch spricht. Der, ganz seriös im dunklen Anzug mit Krawatte, malt für die japanische Flagge rote Kreise auf weißes Papier. Das macht auch Yukis einzige Klassenkameradin. Dabei plauschen die drei, auf japanisch natürlich. Mit den Fähnchen werden sie winken, wenn der japanische Kaiser morgen das deutsch- japanische Zentrum besucht.

An der Tafel stehen die Flaggenvorbilder aus Plastik. Doch Yuki weiß inzwischen, wie die deutsche Fahne aussieht. Sie ist bereits seit drei Jahren in Berlin, ihr Vater arbeitet hier als Geschäftsmann. Bis zum April, als die Japanische Internationale Schule am Wannsee eröffnet wurde, ging sie auf ein ganz normales Gymnasium. Ihre Familie kehrt im Februar nach Japan zurück, und bis dahin soll Yuki ihre heimatlichen Sprachkenntnisse auffrischen. „Hier gefällt es mir auch ganz gut“, sagt sie und fährt mit dem Pinselende durch ihren schwarzen Pagenkopf. „Aber auf dem Gymnasium waren mehr Leute, und da hat die Schule mehr Spaß gemacht.“

Kein Wunder. Yuki und ihre Freundin sind die einzigen Schülerinnen der kombinierten achten und neunten Klasse. Insgesamt besuchen 15 junge JapanerInnen zwischen sechs und 15 Jahren die vier Klassen der Privatschule. Fünf Lehrer aus Japan unterrichten hier, zwei deutsche Studenten geben den Deutschunterricht. „Meist bleiben die Kinder nur ein paar Jahre in Berlin, weil ihre Eltern als Unternehmer oder Wissenschaftler hier arbeiten“, sagt Takeo Matsuno, Geschäftsführer der Schule. „Unser Unterricht orientiert sich an dem japanischer Schulen“, erklärt er. Der Unterricht sei dem deutschen aber recht ähnlich. Hier, in der malerisch von Bäumen umgebenen alten Villa am S-Bahnhof Wannsee, wird er eben nur auf japanisch gemacht, wenn nicht gerade Deutsch oder Englisch auf dem Stundenplan stehen. Bis 15 Uhr dauert täglich der Unterricht in dem kleinen, hellgrün gestrichenen Klassenraum mit Blick auf den Wannsee.

Auch in den drei Klassen im Erdgeschoß läuft der Unterricht. In der kombinierten dritten und vierten Klasse steht Japanisch auf dem Programm. Son malt auf eine Doppelseite mit großen Kästchen mit Bleistift zuerst ein Kreuz, darunter noch ein Häkchen, dann einen kurzen Strich mittendurch: japanische Schriftzeichen, die wie kleine Kunstwerke aussehen. Das apricotfarbene Klassenzimmer wirkt trotz Neonlicht hell und freundlich, die Stimmung fast familiär. Der achtjährige sitzt an dem letzten der drei kleinen Tische. Er spielt am Ärmel seines lila Sweatshirts, dann hebt er seinen zerwuschelten dunklen Schopf. Sofort kommt der Lehrer zur Hilfe. Er schreibt das Zeichen noch einmal ganz langsam an die Tafel. Bei drei SchülerInnen bleibt genügend Zeit für jeden einzelnen. Und die haben ihren Spaß dabei. Zwischen den einzelnen Schriftzeichen wird munter geplappert und auch mal mit einem Japan-Fähnchen gewedelt.

Um halb zehn haben Yuki, Son und die anderen es geschafft: Die erste Stunde ist zu Ende. Eine Klingel gibt es hier nicht, dafür Uhren in jedem Klassenraum. Im Gegensatz zum lockeren Ton des Unterrichts wirkt das Ende sehr schroff: aufstehn, strammstehn, die Arme an die Seite schlagen, zuletzt eine Verbeugung. Dazu ein lauter und kräftiger Wortwechsel zwischen Lehrer und SchülerInnen. Immer wieder erklingt ein lautes „hai“, so klingt es zumindest für ungeübte Ohren. Das heißt „ja“, wie der Lehrer später erklärt. Und was bedeutet der Rest? „Jetzt haben wir die erste Stunde beendet.“ Mit der gleichen Zeremonie fängt auch in fünf Minuten die nächste an.