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Betr.: Pazifistischer Selbstbetrug", taz vom 13.9.93

[...] Erneut wird in der taz mit der Brechstange propagiert, was innerhalb der Friedensbewegung nach anfänglicher Debatte gemächlch ad-acta gelegt wird: Die offene Forderung nach multinationalen Eingreiftruppen, die die neue Weltunordnung in eine neue Ordnung Gottes (UN-Sicherheitsrats/USA/NATO/WEU...) Gnaden verwandeln soll. Selbstverständlich mit deutscher Beteiligung. Sonst könnte deutsche Soldaten das höchste Glück — nämlich ihr Leben für die Durchsetzung der Menschenrechte aufs Spiel setzen zu dürfen — verwehrt bleiben.

Wer seine eigenen Positionen ad-absurdum führt (‘Einen dauerhaften Frieden hat ihr [der „humanitären“ Truppen] Einsatz der Region ebenfalls nicht beschert...' worum geht es denn sonst?) hat es weder nötig, im Kontext zu zitieren, noch braucht er es zu scheuen, rührselige Bilder von beruhigt zu den amerikanischen oder englischen (!) Kampfflugzeugen aufschauenden Kurden zu verbreiten. Vielleicht liegt die Beruhigung ja darin, daß es sich zur Abwechslung mal nicht um türkische Kampfbomber über Dörfern in irakisch- Kurdistan handelt? [...]

Wenn aus dem Verlauf dieses Jahrhunderts und der Rolle Deutschlands politische Lehren gezogen werden können, dann daß Krieg nie wieder als Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln gelten darf, daß von deutschem Boden nie wieder Krieg ausgehen darf, daß Krieg kein Mittel internationaler Konfliktlösung ist. Daß militärische Gewalt per se nicht geeignet ist, dauerhaften Frieden zu schaffen. Auch wenn wir Grundelemente der von Ludger Volmer und anderen Formulierten „friedenspolitischen Grundlinien“ der Grünen für illusionär halten (etwa, daß die UNO und vor allem deren Sicherheitsrat dergestalt demokratisch reformiert werden können, daß die UNO über ein allseits anerkanntes Gewaltmonopol verfügt) so sehen wir darin wesentlich mehr als konstruktive Beiträge als in den Beiträgen, die die taz seit den Zeiten des zweiten Golfkrieges füllen.

Nie wieder Krieg — nie wieder Faschismus! ist kein Gegensatz, wie ihn die taz propagiert, sondern eine Herausforderung an eine neue linke Friedensbewegung, der wir uns stellen. Für den BundessprecherInnenkreis der DFG-VK Ilka Anger, Christa Kalisch, Roland Wünsch

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